ROBIN ALEXANDER über SCHICKSAL
: Faul im Staate Dänemark

Ein Urlaubs-Vorurteil besagt, dass es bei unserem nördlichen Nachbarn immer regnet. Das stimmt nicht – leider!

Die Einladung ist verlockend: Eine Woche in einem Ferienhaus zweihundert Meter vom Strand entfernt, mit Sauna und Terrasse. Mit den Einladenden sind wir sowohl verwandtschaftlich als auch freundschaftlich verbunden. Aber – skeptische Leser ahnten es bereits – es gibt einen Haken: Die Einladung geht nach Dänemark.

Nun soll man ja gegen seine Nachbarländer nichts Böses sagen. Und warum auch? Dänemark tendiert als skandinavisch-zivilisiertes Land dazu, sehr viel bis alles richtig zu machen. Steuern und Abgaben für den Erhalt des Wohlfahrtsstaates werden hier lächelnd bezahlt, Ehescheidung und Pornographie sind schon seit Generationen legal, in der langen dänischen Geschichte wurde eigentlich nur Grönland unterdrückt – und da wohnt ja bekanntlich kaum einer. Kriminalität gibt es hier nicht mehr, seit die Olsen-Bande in Rente gegangen ist. Zwar nimmt Dänemark an der Besatzung des Irak teil, aber ihre Folteroffizierin haben sie vor zwei Wochen vorbildlich schnell abgezogen.

Also: Eigentlich spricht gar nichts gegen Dänemark. Außer vielleicht der Regen. In Dänemark regnet es nämlich immer. „Stimmt nicht!“, schreibt jetzt mit Ausrufezeichen der Vorsitzende des dänischen Tourismusverbandes, Dr. Olaf Ebbe Jørgensen, in seinem Leserbrief und packt eine Wetterstatistik der letzten fünfzig Jahre dazu, die unzweideutig belegt: Es gab schon Sonnentage in Königin Margaretes Reich.

Ein Widerspruch? Hm. Dänen lügen bekanntlich nicht. Ja, lügen denn alle von Regen berichtenden Dänemarkurlauber? Vielleicht kann man objektive Statistik und subjektive Erfahrung so auf einen Nenner bringen: Es regnet in Dänemark nicht immer – aber immer, wenn man dort Urlaub macht. Zufrieden?

„Macht nichts“, sagt an dieser Stelle meine Schwester: „Dann spielen wir Gesellschaftsspiele.“ Sie hat eingepackt: Monopoly, Risiko, Scrabble, Siedler, Siedler mit Ritter-Erweiterung, Siedler mit Piraten-Erweiterung, Siedler im Science-Fiction-Stil und Siedler im historischen Szenarium der mittelalterlichen Stadt Nürnberg. Meine Schwester fährt glücklicherweise einen Kombi.

Auch meine Freundin und ich haben auf Grund absehbar anstehender Veränderungen in unserer Familienstruktur vor kurzem ein Auto mit viel Stauraum erworben. Den packen wir jetzt bis obenhin voll mit Bier und Lebensmitteln. Das macht man so, denn in Dänemark kostet ein Einkauf im Supermarkt einen mitteleuropäischen Durchschnittsmonatslohn und ein Restaurantbesuch ein Vermögen. Damit die Touristen das nicht merken, haben die Dänen vor ein paar Jahren gegen die Übernahme des Euro gestimmt.

Aber wer wird denn an Geld denken – bei diesem herrlichen Wetter: Strahlende Sonne an klarem Himmel empfängt uns am Urlaubsort. Alles ist perfekt – für einen Tag. Dann kommen sie: Kleine, fliegende Tiere. Viele kleine, fliegende Tiere. Schwebefliegen. Dieser harmlose Name fasst das Grauen nur unzureichend: Überall summt und surrt es, die Quälgeister setzen sich auf Brötchenhälften, in Körperfalten, und wenn man nicht aufpasst gar auf Zungen. Ekel erregend! Hunderte, nein: Tausende, ach was: Millionen von Schwebefliegen zwischen den Dünen, über dem Wasser, sogar auf der Terrasse. Sicher vor den Insekten sind wir eigentlich nur im Haus.

– „So eine Plage hatten wir seit der deutschen Besatzung nicht mehr“, scherzt der Chef des Supermarktes, in dem ich für umgerechnet sechs Euro eine kleine Flasche Autan kaufe: Warum die Fliegen sich in diesem Jahr so vermehrt haben?

– „Es muss an der Sonne liegen. Es hat ja seit Wochen nicht geregnet.“

In den ersten Tagen wurden wir noch melancholisch, wenn wir aus dem Fenster die Sonne sahen und an den für uns unerreichbaren Strand dachten. Aber dann akzeptierten wir: Es ist eben Urlaub in Dänemark. Zwischen vielen Saunagängen haben wir unseren Kofferraum leer getrunken und uns prima entspannt. Einmal habe ich sogar bei Siedler gewonnen.

Mittel gegen Schwebefliegen? kolumne@taz.de

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