China auf der Suche nach sicherem Öl

Im Reich der Mitte reichen die eigenen Ölreserven längst nicht mehr aus. Iran ist jetzt der wichtigste Lieferant nach Saudi-Arabien. China empfiehlt sich auch anderen Golfstaaten als Abnehmer – und fürchtet deshalb Spannungen mit den USA

AUS PEKING JUTTA LIETSCH

Noch nie wie in diesen Tagen spürte China so deutlich, wie abhängig es vom sicheren Zugang zu Ölquellen in anderen Staaten ist. Nur die USA kaufen derzeit mehr Öl auf dem Weltmarkt als China. Das atemberaubende Wachstum von fast 10 Prozent über mehrere Jahre hat dazu geführt, das die heimischen Ölfelder längst nicht mehr genug für die vielen neuen Fabriken, Autos und Kraftwerke des Landes produzieren können.

Dazu kommt der Höhenflug des Ölpreises, der sich schmerzlich bemerkbar macht: Im ersten Halbjahr gab China 57 Prozent mehr für seine Ölimporte aus als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. In diesem Jahr wird es voraussichtlich rund 110 Millionen Tonnen Erdöl einführen – fast 20 Prozent mehr als vor einem Jahr. Insgesamt muss China bereits mehr als ein Drittel seines Gesamtverbrauchs importieren.

Nur wenn es auch künftig genug Öl gibt, können Chinas Industrien weiter wachsen und genug Arbeitsplätze schaffen, um soziale Unruhen im 1,3-Milliarden-Reich zu verhindern. Deshalb gehört die Sicherung von Energiequellen inzwischen für chinesische Militärs ebenso wie die Diplomaten des Landes zu den wichtigsten Aufgaben.

In Manövern übt Chinas Armee bereits den Kampf gegen Terroristen, die Pipelines und Raffinerien in die Luft sprengen oder Öltanker in Brand setzen könnten. Sorge bereiten auch die Piraten in der Straße von Malakka: Rund 80 Prozent der chinesischen Ölimporte stammen derzeit aus dem Nahen Osten und Afrika, der größte Teil muss durch die gefährliche Meerenge zwischen Indonesien und Malaysia gebracht werden.

90 Prozent der Tanker, die Chinas Öl heranschaffen, sind von internationalen Reedereien gechartert. Das soll sich ändern: Die größte chinesische Staatsreederei Cosco hat riesige Tanker in Auftrag gegeben und angekündigt, dass sich die Kapazität ihrer Flotte in drei Jahren fast verdoppeln soll. Denn chinesische Einkäufer sind längst überall zu anzutreffen, wo Fördertürme stehen. Chinas Importe aus den afrikanischen Staaten Gabun und Angola zum Beispiel werden sich in diesem Jahr verdoppeln, sagen Fachleute voraus. Chinesische Konsortien investieren in Öl- und Gasfelder Australiens und Indonesien und beteiligen sich am Bau eines neuen Hafens in Pakistan, von dem Öl über Land in die Westprovinz Xinjiang transportiert werden könnte. Für 3 Milliarden US-Dollar baut Peking eine Pipeline, die das schwarze Gold aus Kasachstan bis in den nordöstlichen Industriegürtel Chinas bringen soll.

Wichtiger bleiben für Peking aber die Ölfelder des Nahen Ostens: Hauptlieferant Chinas ist Saudi-Arabien – an zweiter Stelle steht seit diesem Jahr der Iran. Wie gut die Beziehungen zu Teheran inzwischen sind, wurde im Mai deutlich: Da erhielt Chinas größter Handels- und Rüstungskonzern Norinco den Zuschlag für den Bau einer zweiten U-Bahnlinie in Teheran. Bei dem Mammutprojekt im Wert von 836 Millionen US-Dollar konnten die Chinesen Mitbewerber wie Siemens ausstechen.

Mit Kuwait, Saudi-Arabien und vier weiteren Golfstaaten vereinbarte Peking im Juli ein Rahmenabkommen über wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit. Demnächst wollen beide Seiten über ein Freihandelsabkommen verhandeln. Günstig für China: Die arabischen Staaten wollen „neue Akteure in Spiel bringen, um ein Gegengewicht gegenüber den USA zu schaffen und ihre Exporte zu diversifizieren“, so der chinesische Nahostexperte Tang Zhichao. Allerdings müsse die chinesische Führung vorsichtig vorgehen, um die USA nicht zu verärgern und sich nicht in die heiklen politischen und militärischen Probleme der Region hineinziehen zu lassen, heißt es in Peking.