Einigung ist gut, Allmacht besser

Senat ändert Kita-Gesetz, um Standardabsenkungen notfalls diktieren zu können. SPD spricht von Aufkündigung des Kita-Kompromisses

Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram schweigt normalerweise zum Fortgang der Kita-Politik, wenn sie doch etwas mitteilt, dann am Freitagmittag. So auch gestern geschehen. Zwei Tage nach dem Start der Verhandlungen mit den Kita-Verbänden über neue Verträge ließ die CDU-Senatorin verkünden, dass noch im August ein neues „Einführungsgesetz“ zum Kinderbetreuungsgesetz (KibeG) namens EGKibeG verabschiedet werde. Dies legt fest, dass der Senat die Kita-Standards wie Betreuungschlüssel und Gruppengröße notfalls allein durch Rechtsverordnung festlegen darf. Es sei aber „vorrangiges Ziel“, sich mit den Trägern zu einigen.

Norbert Kessler, den Verhandlungsführer der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtpflege (AGFW), überraschte diese Ankündigung nicht. Staatsrat Klaus Meister hatte dies beim Gespräch am Donnerstag bereits angekündigt. Bis die Verhandlungen am Dienstag fortgesetzt werden, wollen beide Seiten sich nicht äußern.

Nach taz-Informationen hatten die Kita-Verbände angeboten, zu den alten Standards von vor der Einführung des Kita-Gutscheinsystems zurückzukehren, was etwa eine Standardabsenkung um 8 Prozent bedeutete. Die Behörde soll dagegen eine 25-prozentige Absenkung dieser Standards verlangt haben. Dies würde unter anderem dazu führen, dass sogar Gruppen, in denen sich Kinder ganztags aufhalten, nur noch in der Hälfte der Zeit eine Doppelbetreuung erhielten – und dies sogar, wenn 24 Kinder in der Gruppe wären. Da dies die Grenze des fachlich vertretbaren überschreitet, lehnen die Träger das ab.

Die Träger hätten der Behörde ein „ernst zu nehmendes Angebot“ gemacht, findet die GAL-Politikerin Christiane Blömeke. Da sei das Einführungsgesetz ein Schlag ins Gesicht. Blömeke: „Durch dieses Druckmittel werden Verhandlungen zur Farce“.

Die SPD-Jugendpolitikerin Andrea Hilgers sprach gar von „Erpressung“ der Träger und warf dem Senat vor, damit den im April zwischen CDU und SPD geschlossenen Kita-Kompromiss zu brechen. Demnach sollen ab 1. Januar alle drei- bis sechsjährigen Kinder einen Rechtsanspruch auf täglich fünf Stunden Betreuung haben. Außerdem sollen ab 1. August 2006 alle Kinder berufstätiger Eltern von null bis 14 Jahre einen Rechtsanspruch auf Kita-Betreuung erhalten. CDU-Bürgermeister Ole von Beust, so Hilgers, habe bei der Unterzeichnung des Kompromisses versprochen, dass es „keine Absenkung der Standards geben wird“. Mit dem jetzigen Vorgehen sei er „wortbrüchig“ geworden.

Bei den Verhandlungen geht es darum, wie viel von den 40 Millionen Euro, die 2003 und 2004 nötig waren, um das Kita-Loch zu stopfen, auch 2005 im Etat verbleiben. Der Senat hatte für deren Begleichung dauerhaft wirksame Maßnahmen wie die Erhöhung der Grundsteuer beschlossen, ist aber nun nur bereit, etwa die Hälfte der Summe weiter zuzubuttern. „Da muss noch mehr Luft sein“, vermutet Hilgers. Schließlich spare Hamburg auch durch Hartz IV 100 bis 190 Millionen Euro ein, die in die Kinderbetreuung und Arbeitsmarktförderung fließen sollen.

Die SPD ist aber auch über ein Detail im EGKibeG empört. So soll die im April explizit ausgehandelte Einbeziehung behinderter Kinder ins Gutscheinsystem um mindestens ein Jahr auf den 1. August 2006 verschoben werden. Hilgers vermutet, dass der Senat hier sparen will, weil ein ähnliches Modell in Bremen von den Betroffenen stark nachgefragt wurde. KAIJA KUTTER