venezuela
: Chávez in guter Verfassung

Venezuela hat entschieden: Präsident Hugo Chávez darf weiter regieren. Trotz massiver Unterstützung großer Teile der Medien hat es die in sich zerstrittene Opposition der Mittel- und Oberschicht nicht vermocht, der Mehrheit der verarmten Bevölkerung Venezuelas beizubiegen, warum eine Rückkehr in die alte Vettern- und Privilegienwirtschaft für sie besser sein sollte.

KOMMENTARVON BERND PICKERT

Es wäre schön, wenn auch Venezuelas Opposition sich nun endlich an die Spielregeln halten würde. Man muss Chávez nicht mögen – aber er wurde in verschiedenen Wahlen und Referenden mit größeren Mehrheiten demokratisch legitimiert als manche andere lateinamerikanische Staatsoberhäupter.

Die sozialen Verbesserungen in den Armenvierteln, von den verbilligten Nahrungsmitteln bis zu kostenlosen Bildungs- und Gesundheitsangeboten, unternehme Chávez nur, um seine Basis zu sichern, klagt die Opposition. Na und wenn? Und der Vorwurf, Chávez missbrauche die Öleinnahmen des Landes, weil er sie für die Maßnahmen seiner „bolivarischen Revolution“ einsetzt, ist fast obszön. Wofür könnte denn bitte der Reichtum des Landes besser genutzt werden als für die soziale Absicherung der Mehrheit der Armen?

Selbst der Vorwurf des Populismus zieht inzwischen nicht mehr. Denn das hieße ja, dass Chávez außer Rhetorik nichts zu bieten hätte. Die Opposition hat aber nicht in jahrelangen Demonstrationen, einem Putschversuch und nun dem gescheiterten Referendum versucht, Chávez aus dem Amt zu jagen, weil er nichts tut – sondern gerade weil er tatsächlich die traditionelle Verteilung von Macht und Reichtum in Venezuela zu verändern sucht.

Die Kritikpunkte an Chávez – Personenkult, Bündnisunfähigkeit, Polarisierung – bleiben. Nur: Die unter ihm entstandene Verfassung ist die einer Demokratie, nicht einer Diktatur, in der die Opposition Venezuela stets wähnt. Wenn sich Chávez weiterhin an diese Verfassung hält und Mehrheiten hinter sich scharen kann – dann darf, dann muss er weiter regieren, so unbegreiflich dieser Gedanke der Opposition auch scheint.

Chávez ist kein Messias, und wie dauerhaft tragfähig seine Reformen sind, muss sich noch beweisen. Aber er ist der gewählte Präsident Venezuelas, der gerade eindrucksvoll von der Bevölkerung bestätigt wurde. Wenn die Opposition das einmal begreifen würde, wäre schon viel gewonnen.

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