Leben wie ein Patron in Frankreich

Die französischen Spitzenmanager sind auch im Einkommen Spitze. Nur in den USA wird noch besser verdient. Seit 2001 müssen die Chefs ihre Gehälter und zusätzliche Einnahmen offen legen. Das Publikum staunt

PARIS taz ■ „Président Directeur Général“ lautet ihr pompöser Titel – „PDG“. Mindestens ebenso beeindruckend wie diese Bezeichnung sind die Gehälter der französischen Chefs, der patrons: Im europäischen Vergleich verdienen SpitzenmanagerInnen hier besser als sonst irgendwo.

Während die durchschnittlichen Löhne seit Jahren eingefroren sind und empfindlich niedriger liegen als in Deutschland, genehmigen sich die PDG regelmäßig zweistellige Zugewinne. Krisenjahre kennen sie nicht. 2003 verschafften sie sich eine Einkommensverbesserung von 14 Prozent.

Nach Angaben der Pariser Wirtschaftspresse verdienten die Spitzenmanager der vierzig börsennotierten Unternehmen, die den französischen Börsenindex CAC-40 bestimmen, im Jahr 2003 durchschnittlich 2,07 Millionen Euro pro Nase. Der am besten bezahlte PDG im Land ist der Chef des Kosmetikkonzerns L’Oréal – dicht gefolgt von seinem Kollegen an der Spitze des Reifenherstellers Michelin und dem bei der internationalen Kaufhauskette Carrefour.

Im vergangenen Jahr stellte das Brüsseler Institut „European Corporate Governance International“ fest, dass die französischen SpitzenmanagerInnen damit zwar nicht ihre KollegInnen in den USA eingeholt haben, aber in Europa einsame Spitze sind. Sie liegen weit vor ihren KollegInnen in Großbritannien (zweite Stelle), den Niederlanden und Deutschland – sowohl bei den festen Gehältern als auch bei den „variablen Bezügen“. Letztere – Aktienoptionen und Abfindungen – machen bei SpitzenmanagerInnen in Frankreich beinahe 50 Prozent des Einkommens aus, während der europäische Durchschnitt bei knapp 40 Prozent liegt.

Wie viel ihre PDG verdienen, wissen die FranzösInnen erst seit 2001. Damals verabschiedete das Parlament ein Gesetz über neue wirtschaftliche Regeln. Für „mehr Transparenz“.

Sehr schnell zeigte sich nicht nur die astronomische Höhe der Gehälter der PDG, sondern auch, dass sie nichts mit dem unternehmerischen Erfolg zu tun haben. Im Jahr 2001 beispielsweise, als die Ergebnisse der CAC-40-Unternehmen um 18 Prozent sanken, stiegen die PDG-Gehälter um durchschnittlich 23 Prozent.

Im vergangenen Jahr untersuchte ein parlamentarischer Ausschuss in Paris die Frage, ob es sinnvoll sei, gesetzliche Regeln für die Bezahlung von PDGs aufzustellen. Die dem Staatspräsidenten nahe stehende Concorde-Stiftung, aber auch SprecherInnen der rechtsliberalen UDF sowie linke Parteien sprachen sich dafür aus. Sämtliche PDG, die vor dem Ausschuss auftraten, dagegen. Der Präsident des Unternehmerverbandes Medef, Ernest-Antoine de la Seillière, lehnt staatliche Eingriffe in seine Geschäfte ebenfalls ab.

Um die ParlamentarierInnen zu befrieden, versprach er, die UnternehmerInnen würden selbst Ordnung in ihre Verhältnisse bringen. Sein Verband habe dazu bereits „Ethikkommissionen“ geschaffen.

Die Gehälter der PDG in Frankreich sind seither nicht gesunken. Hingegen haben ManagerInnen das populistische Potenzial von Gehaltsdebatten entdeckt. So führte sich im April eine neue Riege an der Spitze der Gesellschaft „Eurotunnel“ mit dem Argument ein, sie wolle ihre Gehälter offen legen. Diesen Versuch, die ob des Rekorddefizits aufgeregten KleinaktionärInnen zu beruhigen, nennen sie: „Aktionärsdemokratie“.DOROTHEA HAHN