Klonen ja, nur nicht die Natur

Der Ethikrat debattiert über das Klonen zu Forschungszwecken. Einzelne Mitglieder sprechen sich für ein Ende des totalen deutschen Klonverbots aus

VON WOLFGANG LÖHR

„Nein, bisher ist noch nicht abzusehen, ob sich eine Mehrheit im Nationalen Ethikrat für ein Ende des deutschen Klonverbotes aussprechen wird“, versichert Regine Kollek, Bio-Professorin an der Hamburger Uni und stellvertretende Vorsitzende des Gremiums. Auch Spiros Simitis, der Vorsitzende des Ethikrates, bestreitet vehement, dass bereits eine Vorentscheidung gefallen sei. Die Meldung, dass eine Mehrheit des 25-köpfigen Rates auf seiner für gestern und heute angesetzten Sitzung für eine Änderung des im Embryonenschutzgesetz festgelegten Klonverbotes eintreten werde, sei an den Haaren herbeigezogen, so Simitis.

Dennoch: Während unter den Experten weitgehend Konsens besteht, dass das reproduktive Klonen, also die künstliche Schaffung eines genetisch identischen Menschen, strikt untersagt bleiben soll, gibt es zumindest einige Ethikratsmitglieder, die das Klonen für Forschungszwecke auch in Deutschland zulassen möchten.

Jens Reich, Professor für Bioinformatik und Leiter der Arbeitsgruppe zur Vorbereitung der Klon-Stellungnahme, ist einer der Befürworter. Obwohl er sich dagegen ausspricht, dass menschliche Embryonen für die Stammzellgewinnung genutzt werden, ist er beim Forschungsklonen für eine streng geregelte Zulassung.

Für Reich ist das nur ein scheinbarer Widerspruch. Nur Embryonen, die auch Eltern haben, sollen seiner Meinung nach zur Gattung Mensch gehören. Das wären sowohl die natürlich gezeugten als auch die bei der In-vitro-Fertilisation entstandenen Embryonen. Die mit der erst beim Klonschaf Dolly angewandten Methode geschaffenen sollen aber nicht dazugehören. Bei Dolly hatten schottische Wissenschaftler einen „rückprogrammierten“ Kern einer Körperzelle in eine Eizelle übertragen. Der so geklonte Embryo sei lediglich ein „zellbiologisches Konstrukt“, meint Reich. Er müsse nicht geschützt werden. Sichergestellt werden müsse aber, dass sich aus dem Konstrukt kein Mensch entwickeln könne.

Für die Biologin Kollek ist das Kriterium „Natürlichkeit“ nicht hinreichend, um eine Unterscheidung zwischen technischem Konstrukt und Embryo zu begründen. Zudem, so Kollek, bleibe unter anderem das Problem, dass ein enormer Bedarf an Eizellen entstünde, wenn sich doch einmal erweisen sollte, dass mit dem therapeutischen Klonen eine Heilung von Krankheiten möglich sei. Und auch, wenn das nur eine vage Hoffnung sei: Woher dann nehmen, wenn nicht vom Menschen?

Ob Reichs Position im Ethikrat eine Mehrheit finden wird, ist fraglich. Er selbst sagt, er vertrete nur eine Minderheitsmeinung. Auf jeden Fall aber, das ist schon abzusehen, wird es keine einheitliche Stellungnahme des Ethikrates geben. Die unterschiedlichen Positionen liegen zu weit auseinander.

Und das ist nicht die einzige Kontroverse in dem Gremium, das für manchen Beobachter in einer Identitätskrise steckt. Auch die Arbeitsweise des Ethikrates steht inzwischen zur Debatte. Hier haben Reich und Kollek eine gemeinsame Position. Sie gehören zu den Mitgliedern, die sich dagegen aussprechen, dass in den künftigen Stellungnahmen kenntlich gemacht wird, wer und wie viele der 25 Mitglieder welche Position vertreten. Bislang war das üblich. Schließlich solle der Gesellschaft nicht vorgeschrieben werden, wie sie zu entscheiden habe.

Obwohl also noch nicht abzusehen ist, wie die Stellungnahme des Ethikrates in der Klonfrage letztendlich ausfallen wird, haben schon zahlreiche Politiker reagiert – je nach eigenem Standpunkt mit vehementer Kritik die Gegner jeglicher Embryonenforschung oder mit Beifall diejenigen, die sich schon immer dafür eingesetzt haben, dass das Forschungshemmnis Embryonenschutzgesetz gelockert werde.

So forderte die FDP-Politikerin Ulrike Flach „eine Gesetzgebung wie in Großbritannien, wo streng kontrolliertes Klonen möglich ist“. Ähnlich äußerte sich die CDU-Forschungspolitikerin Katherina Reiche, obwohl ihre Fraktion mehrheitlich strikt gegen Embryonenforschung ist. Christa Nickels, die für die Grünen in der Bundestagsenquete „Ethik und Recht in der modernen Medizin“ sitzt, hält eine neue Debatte über das Klonen gar „für so überflüssig wie ein Kropf“. Der Bundestag hat sich ja schließlich schon wiederholt gegen jegliches Klonen ausgesprochen.