Notruf aus dem Mädchenhaus

Das Amt für Soziale Dienste will Gelder für die Hilfseinrichtung für junge Frauen zwischen zwölf und 17 Jahren kürzen, Mädchen-Anlaufstelle droht das Aus. Heute debattiert der Jugendhilfeausschuss über die Zukunft der Krisenbetreuung in Bremen

Bremen taz ■ Zu Hause wurden sie sexuell missbraucht, geschlagen, gedemütigt, sie haben Essstörungen, sind traumatisiert oder aggressiv. „Ich kann viele Horrorstories von den Mädchen erzählen“, sagt Sabine Weber, die Geschäftsführerin des Bremer Mädchenhauses. Eine auch nicht gerade schöne Story erlebt Weber derzeit selbst: Über 1.000 Mädchen in Not konnte in dem seit zwölf Jahren bestehenden Projekt geholfen werden. Jetzt will das Amt für Soziale Dienste die Mittel kappen. „Vorsorglich“ hat Weber erst mal allen 29 Mitarbeitern gekündigt, um die Insolvenz zu verhindern. Schon im Oktober könnten das Notruf-Telefon und die acht Plätze im Mädchenhaus in der Neustadt Vergangenheit sein.

Seitdem das Amt für soziale Dienste im Juni verfügt hat, dass die jungen Frauen zwischen zwölf und 17 Jahren das Mädchenhaus nur noch vier anstatt sechs Wochen als erste Anlaufstelle nutzen dürfen, sind Kapazitäten frei. Obwohl sogar mehr Mädchen in Not Aufnahme suchten, hat sich die Zahl der „Belegtage“ drastisch verringert. Das geht aus einer Vorlage aus dem Sozialressort hervor, die der taz vorliegt. Während im zweiten Quartal des vergangenen Jahres 15 Jugendliche Aufnahme im Mädchenhaus suchten, waren es zwischen April und Juni 2004 sogar 21. Allerdings meldete das Mädchenhaus nur noch 411 statt wie im Jahr zuvor 769 „Belegtage“. Pro Tag berechnet das Mädchenhaus dem Amt für Soziale Dienste etwa 200 Euro – und hat riesige Einnahmeverluste zu verkraften. Auch, weil das Haus rund um die Uhr besetzt sein muss. „Wenn das Amt unsere Einrichtung nicht nutzt, ist das dramatisch“, sagt Weber. Das Amt für soziale Dienste versuche, statt der so genannten „Inobhutnahme“ im Mädchenhaus die gefährdeten Jugendlichen bei Pflegefamilien zu parken oder sie sogar wieder nach Hause zu schicken, ärgert sich Weber. Und: „Gerade die Traumatisierten sind da nicht richtig aufgehoben.“

Heute ist das Mädchenhaus Thema im Jugendhilfeausschuss. Die zu beratende Vorlage gebe „nur ungenügend Auskunft über die Zukunft der Einrichtung“, sagt der jugendpolitische Sprecher der Grünen, Jens Crueger. Für die Verkürzung der Aufenthaltsdauer im Mädchenhaus gebe es „keinen fachlichen Hintergrund“. Den Ansatz, Jugendliche zeitnah aus Betreuungseinrichtungen heraus zu holen, hält er für richtig. „Allerdings müsse sicher gestellt sein, dass die Mädchen nicht mitten im Verfahren einfach von A nach B verschoben werden.“

Die Kostenreduzierung sei notwendig, betont hingegen Frank Pietrzok, der jugendpolitische Experte der SPD. Also müsse sich das Mädchenhaus „anders aufstellen“. Das Sozialressort habe ermittelt, dass der Verbleib der Kinder im Bremer Mädchenhaus im Vergleich zu anderen Städten besonders lang sei, „bis zu einem halben Jahr“. Allerdings findet auch Pietrzok, dass das Mädchenhaus gute Arbeit leistet: „Ich erwarte, dass wir im Ausschuss ein Bekenntnis des Sozialressorts bekommen, dass das Haus erhalten bleibt“. Die Grünen mahnen Eile an. Crueger: „Wenn wir nicht binnen zwei, drei Wochen eine Lösung finden, kann das Mädchenhaus dicht machen.“ ksc