Aber es ist eben kein iPod!

„Real Networks“ startet eine Kampagne für die freie Wahl der Abspielgeräte. Und die Apple-Gemeinde ist sauer

Das Wort „Postmaterialismus“ ist nicht leicht zu erklären. Es scheint damit zu tun zu haben, dass Leute, die alles haben, ziemlich arm dran sind. Wenn sie trotzdem glücklich sein wollen, muss ihnen etwas rein ideelles gehören, das sie von allen anderen unterscheidet. Eine aktuelle Lösung dieses mittelständisch-westlichen Lebensbedürfnisses ist der „iPod“ der Firma Apple. Dass dieses recht teure Gerät inzwischen schon hundertausendfach verkauft wurde, ist kein Argument gegen seine soziale Funktion. Postmaterielle Güter mussten noch nie exklusiv sein, es reichte völlig aus, dass sie ihre Besitzer hinreichend sichtbar von der Masse unterscheiden, die sie nicht haben.

Interessant ist dabei vor allem, dass solche Güter tatsächlich immateriell sind in dem Sinne, dass ihr Erfolg in keinem Fall durch praktischen Nutzen erklärbar ist. Der iPod kann Musikstücke abspielen, die man auf einer speziellen Website der Firma Apple aus dem Internet holen kann. Sie kosten 99 Cent pro Titel. Solche Geräte gibt es seit Jahren, Websites mit kostenpflichtigen Angeboten auch, aber vor dem iPod waren sie nur praktisch für Leute, die beim Joggen gern einen Knopf im Ohr haben. Das kleine Ding war daher leicht und durch keinen Dauerlauf zu erschüttern. Liebhaber anspruchsvoller Musik haben sich dafür noch nie interessiert, selbst dann nicht, wenn auch sie es ganz praktisch fanden, seltene Kostbarkeiten aus den (kostenlosen) Tauschnetzen zu holen. Dafür nehmen sie bis heute den leichten Qualitätsverlust durch die Datenkompression in Kauf, und spielen ihre Erwerbungen auf der Hifi-Anlage ab: Stereoanlagen konnten nie postmaterielle Güter werden, weil ihre Qualität definitiv eine Frage ihrer materiellen Eigenschaften ist.

Zur Ironie des postmateriellen Zeitalters gehört es, dass die iPod-Besitzer sich diesen Standpunkt jetzt ebenfalls zu eigen machen müssen. Schuld daran ist die Firma Real Networks. Die Musiktitel, die sie online anbietet, lassen sich auf jedem Gerät abspielen, auch auf einem iPod. Inzwischen kosten sie nur noch 49 Cent, und Real Networks hat eine Kampagne unter dem Titel „Freedom of Music Choice“ gestartet. Wer nun dachte, dass sich vor allem Apple-Kunden über den gesunden Wettbewerb freuen, liegt völlig falsch. Lediglich ein paar gemäßigte Urheberrecht-Kritiker unterstützen die Kampagne, in den verschiedenen Online-Foren zum Thema herrscht die blanke Wut der Apple-Gemeinde vor. In Gefahr steht der rein ideelle Wert des iPod und der Musik, die nur damit zu hören ist. Sie darf dann ruhig das Doppelte kosten.

NIKLAUS HABLÜTZEL