Angst vor der roten Gefahr

Anti-Hartz-Bündnisse in mehreren Städten schlagen Alarm: Die Marxistisch-Leninistische Partei versuche die Montagsdemos gegen die Arbeitsmarktreformen zu übernehmen und arbeite „verdeckt“. MLPD-Chef Stefan Engel nennt Vorwürfe „lächerlich“

VON FELIX LEE
UND DANIEL SCHULZ

Der Schrecken der Montagsdemonstranten ist nicht mehr Hartz IV. Es ist die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD). „Die versuchen, die Bewegung zu übernehmen“, warnt Andreas Erhold, Demo-Initiator in Magdeburg. Auch aus anderen Städten melden Hartz-Gegner rote Gefahr.

In Berlin spalteten sich deshalb bereits die Anti-Hartz-Protestler. Gestern Abend gab es dort zwei Montagsdemos. Die im Bündnis „Weg mit Hartz IV“ zusammengeschlossenen Leute von Attac, Gewerkschaften, PDS und Sozialinitiativen wollten nicht ein weiteres Mal einem MLPD-Lautsprecherwagen folgen, der die Masse mit volkstümlichen Arbeiterliedern beschallt. Die Marxisten hatten sich nämlich auf der ersten Demo an die Spitze gestellt und waren losmarschiert. Die Massen folgten der maoistischen Kleinpartei einfach. Gewerkschafter und Attac-Leute kamen kaum zu Wort. Deshalb meldeten sie nun eine eigene Demo an.

Das Problem: Der DDR-Bürgerrechtler und MLPD-Sympathisant Fred Schirrmacher hatte bis Ende Oktober bereits sämtliche Montagstermine auf dem Alexanderplatz okkupiert. Attac, Gewerkschaften und PDS entschieden sich für eine Route, die vor dem Roten Rathaus begann und statt zum Willy-Brandt-Haus der SPD zur Grünen-Zentrale führte. Die kampferprobten Demo-Recken von PDS, Gewerkschaften und Attac – die nur 2.500 Mann starke MLPD schaffte sie offenbar alle.

„Sie arbeiten verdeckt“, versucht Peter Wahl, Mitbegründer von Attac, eine Erklärung. Mit ihren gut organisierten Kaderstrukturen würden sie die Demonstrationen gezielt unterwandern. Das ist besonders dort ganz leicht, wo unerfahrenen Privatleute Demos organisieren. Im Internet zeigt sich die Ahnungslosigkeit vieler Initiatoren. „Was soll ich sagen?“, fragt Nicole im Forum der Magdeburger Initiative „Wir machen mobil“. Sie hat noch nie eine Rede gehalten und weiß nicht mal, wo sie ein Megaphon besorgen soll. Peter Weißpfenning, Mitglied im Zentralkomitee der MLPD, hat dagegen schon ein paar Demo-Tipps ins Netz gestellt. „Der treibt sich in fast jedem Hartz-Forum rum“, sagt Andreas Erhold. Andere MLPDler seien deutschlandweit auf Propagandatour.

Auch für ein Megaphon sorgen die Marxisten. „Die bringen die gesamte Technik schon mit“, sagt Hans Witte, Mitorganisator der Demonstrationen in Stuttgart. Keiner brauche sich mehr zu kümmern, die MLPD regle selbst die Demo-Route. Witte meint: Die gestrige Demonstration sei völlig von der MLPD abhängig gewesen. Ähnliche Meldungen gibt es auch aus Gelsenkirchen – wo die Parteizentrale steht. In Dresden befürchten Mitorganisatoren eine feindliche Übernahme. „Das ist doch lächerlich“, sagt Stefan Engel, Bundesvorsitzender der MLPD. „Bisher hat man uns nicht ernst genommen, und jetzt sollen wir die große Gefahr sein?“ Engel meint vielmehr, dass Attac und Gewerkschaften versuchen, seine Partei auszugrenzen. „Das Einzige, was wir wollen, ist ein gemeinsamer Protest aller.“ Natürlich gebe es MLPD-Leute in führenden Positionen von Anti-Hartz-Bündnissen. „Aber die wurden von den Demonstranten gewählt“, sagt Engel. „Dann machen wir das natürlich.“

Die Demo-Organisatoren sprechen dagegen von Manipulation. Hans Witte sagt, dass „zu den Planungsdiskussionen viele Leute auftauchen, die nicht alle offiziell von der MLPD sind, sondern von Initiativen, die der Partei nahe stehen“. Diese dominierten dann die Reden und auch die Beschlüsse. In Zukunft müsse man mehr aufpassen, sagt Witte. „Diese Leute sind schlau.“