DIE GRÜNEN ENTDECKEN DAS ALTER
: Wiederkehr der Wohngemeinschaft

Wie sich die Zeiten ändern. Vor 25 Jahren haben sich die Grünen als eine Partei gegründet, die gesellschaftliche Alternativen suchte, und traten dabei mit dem Gestus der Jugend auf. Jetzt entdecken die Grünen eine neue, kommende „Alternativkultur“, und zwar den Kampf gegen die Altersdiskriminierung. Heute soll in Berlin eine „Seniorenorganisation“ der Partei ins Leben gerufen werden. Offen war gestern noch, ob die Altersgrenze 55 oder 60 Jahre betragen wird. Die interessante Frage dabei lautet: Haben sich die Grünen verändert und passen nun nur geschickt die gesellschaftliche Thematik an die Bedürfnisse ihrer alternden Mitglieder an? Oder hat sich die gesellschaftliche Thematik, die Struktur der Repressionen, gewandelt?

Um die Frage zu beantworten, ist es sinnvoll, sich einmal auf das zu besinnen, was den ursprünglichen politischen Kampf der Grünen eigentlich ausmachte: Es war das Engagement für die Ökologie und damit für mehr Lebensqualität. Was die Lebensqualität betrifft, spielt die Altersfrage heute tatsächlich für immer mehr Leute eine große Rolle. Das zeigen beispielsweise die Proteste gegen die Hartz-Reformen: Schon 42-jährige Betriebswirte erzählen vor laufender Kamera, dass sie ja „in diesem Alter“ überhaupt keine Chance mehr hätten auf dem Jobmarkt. Und das zu einen Zeitpunkt, wo sie immerhin noch fast 25 Jahre entfernt sind von der Rente.

Altersdiskriminierung ist nicht nur auf dem Jobmarkt ein Thema – auch auf dem Markt der Beziehungen gibt es die Herabsetzung des Alters. Die Zweierpartnerschaft wird in der Werbung als das dominante Beziehungsmodell verhandelt. In Wirklichkeit aber können viele alte Single-Frauen an diesem Beziehungsmodell gar nicht mehr teilhaben. Kein Wunder also, dass die alten Grünen auch neue Haus- und Wohngemeinschaften im Alter propagieren. Denn wie gesagt, es geht um Lebensqualität.

Die neue „Seniorenorganisation“ ist von der Sache her also topaktuell – nur liegt eben auch eine Gefahr darin, das Thema der „Altersdiskriminierung“ jetzt in eine Art Unterorganisation zu verbannen und damit wieder auf ein Label zu reduzieren. Denn die Reduktion auf ihr Alter ist ja genau ein Teil des Problems, das viele Menschen haben. Die Wahrheit ist: Das Thema betrifft alle – denn wir alle werden schneller 40, 50, als man denkt. Altersdiskriminierung ist kein Randgruppenthema. Und sollte daher auch auf keinen Fall so behandelt werden. Kein Wunder, dass sich die Grünen gestern noch nicht eins waren über den Namen für die neue Seniorenorganisation. BARBARA DRIBBUSCH