Reizwäsche gegen Bush

Vor dem Parteitag der Republikaner verlassen die New Yorker massenweise New York. Wer trotzdem bleibt, tut das nicht aus freien Stücken. Grüße von der Heimatfront (9)

Die „Billionaires for Bush“ wollen mit Champagnerglas in der Hand „Verlierer angucken“

Wenn der Präsident der USA zu Besuch kommt, ist das für die Menschen im Gastgeberland selten eine Freude. Als George W. Bush samt Presse- und Hofstaat im Oktober 2003 drei Tage lang Bangkok heimsuchte, „versteckten“ die thailändischen Behörden tausende von Obdachlosen in Militärkasernen. In Manila, wo Bush acht Stunden Halt machte, walzten Bauarbeiter zu Verschönerung der Szenerie Slumsiedlungen platt.

Als der US-Präsident im September 2003 auf der Insel Goree im Senegal den Opfern der Sklaverei gedenken wollte, bekamen die Inselbewohner frühmorgens unangemeldeten Besuch von US-Sicherheitsbehörden und mussten den Rest des Tages eingesperrt in einem Sportstadion verbringen. Bei Bushs Stippvisite in London verlangte die US-Regierung von den britischen Behörden, den gesamten U-Bahn-Verkehr einzustellen und amerikanischen Scharfschützen Immunität zu gewähren, falls „collateral damage“ entstehen sollte. Die Briten sagten höflich „no“ – schließlich ist Großbritannien nicht Senegal.

Dieses Mal handelt es sich nur um einen Ausflug im Inland, aber dummerweise trifft es meine Stadt. Bush kommt zum Parteitag der „Republikaner“ nach New York – und mit ihm 30.000 Delegierte, Lobbyisten und andere Freunde der Partei. Genau gesagt kommen sie in den Madison Square Garden, der wiederum genau über dem Bahnhof mit dem größten Fahrgastaufkommen in den USA liegt. Unter dem Gesichtspunkt der Terrorismusgefahr ist diese Ortswahl so schlau wie ein Lagerfeuer an der Tankstelle.

Also begeben sich die New Yorker in Erwartung des Präsidenten, den die meisten ohnehin nicht gewählt haben, auf die Flucht – wie unlängst die Einwohner Floridas in Erwartung eines Hurrikans. Die Stadt ist ohne Bush anstrengend genug. Da muss man sich nicht fünf Tage lang Scharfschützen auf Dächern, knatternde Hubschrauber am Nachthimmel und Sprengstoff suchende Spürhunde am Bus Stop zumuten.

Wer doch hier geblieben ist, hat entweder kein Geld für einen Kurzurlaub, arbeitet bei der Polizei, will demonstrieren oder muss sich den Zirkus aus beruflichen Gründen ansehen – so wie ich. 10.000 Polizisten werden sich in diesen Tagen zwischen die 30.000 aktiven Bush-Anhänger und etwa 300.000 aktiven Bush-Gegner stellen – mit allem, was das Waffenlager hergibt: Bereits am Freitag wurden Fahrrad fahrende Demonstranten mit großen Netzen eingefangen.

Auf Seiten der Bush-Gegner werden ebenfalls unkonventionelle Methoden geprobt: Schon letzte Woche konnte man sich in der Lower East Side im „Vomitorium“ einstimmen, wo „Performance-Künstler“ ihren Kommentar zu den politischen Verhältnissen in große Kübel kotzten. Wem die gestrige Großdemonstration, die bis zur Drucklegung dieser Zeilen friedlich verlaufen war, zu langweilig schien, der konnte sich von der Theatergruppe „The Yes Men“ (www.theyesmen.org) als „Betreuer für republikanische Delegierte“ ausstatten lassen – inklusive konservativer Haarschnitt, hoch geschlossenes Kostüm für die Damen, gebügelte Hose und weißes Hemd für die Herren, Einstudieren der Nationalhymne sowie Wahlkampf-Sticker für Bush und Cheney. Hat man diese Grundausbildung überstanden, darf man sich in den nächsten Tagen an orientierungslose Delegierte anschleichen und ihnen New Yorker Sehenswürdigkeiten zeigen. Zum Beispiel das „Museum of Sex“ an der 5th Avenue, das in einer Aktion der Stadtverwaltung (zusammen mit anderen Museen) für die Parteitagsbesucher die Eintrittspreise senkt. Hier ein unvollständiger Überblick über den Rest der Woche:

Montag: Heute wird der Parteitag eröffnet. Draußen demonstrieren Obdachlose, Aids-Kranke und Junkies samt ihrer Fürsprecher – also jene, die man in Bangkok in die Kasernen gesperrt hätte.

Dienstag: Vor den Delegierten spricht Arnold Schwarzenegger – und probt für seinen Auftritt als Präsidentschaftskandidat 2008. Draußen planen Anarchisten, Punks, Pazifisten und andere „girlie men“ dezentrale Aktionen des „zivilen Widerstands“, wobei abzuwarten ist, wie „zivil“ Teilnehmer und Polizisten sich verhalten werden.

Mittwoch: Um exakt 8:13 morgens formieren Arbeitslose mit ihren „pink slips“ an der Wall Street die längste Arbeitslosenschlange der Welt. Die „Billionaires for Bush“ (www.billionairesforbush.com) haben sich angekündigt, um in Smoking und Abendkleid mit Champagnerglas in der Hand „Verlierer anzugucken“. Sie sind seit Sonntag unterwegs, um vor den feinsten Hotels der Stadt den „Republikanern“ für ihre Steuergeschenke zu danken.

Donnerstag: Wer aus guten Gründen weder Bushs Rede im Madison Square Garden hören, noch draußen mit Quäkern und anderen Pazifisten für den Weltfrieden singen möchte, kann sich – Achtung! Tief Luft holen! – „Reverend Billy and the Church of Stop Shopping First Amendment Gospel Truth Revival“ anschließen (www.revbilly.com). Reverend Billy, der aussieht wie ein blondierter Elvis Presley in späten Jahren, zieht mit seinem Kirchenchor durch die „Wal-Mart“-, „Disney“- und „Nike“-Filialen des Landes, hält mit dem Halleluja des Erweckungspredigers flammende Reden gegen die Blasphemie des Shopping und treibt der Ladenkasse durch Hand Auflegen den Teufel aus, bis er Hausverbot bekommt.

Das wiederum sollte niemanden abhalten, bei den Damen von „Axis of Eve“ (www.axisofeve.org) politische Reizwäsche einzukaufen. Der Thong mit der Aufschrift „Weapons of Mass Seduction“ kostet 13 Dollar; die Boxer-Shorts mit dem Motto „Drill Bush, Not Oil“ sind schon für neun Dollar, die Unterhose mit dem Slogan „My Cherry for Kerry“ für 14, 50 Dollar zu haben.

Terrorgefahr: Der Madison Square Garden ist so sicher wie ein Lagerfeuer an der Tankstelle

Ich für meinen Teil erwäge, an der „Geh-mit-einem-Republikaner-essen“-Woche teilzunehmen, die ein Stadtmagazin und eine Radiostation ausgeschrieben haben. Viele Restaurants bieten Billigmenüs an. Wer seine Erfahrungen nach diesem Mahl dem Radio berichtet, kann Musik-CDs gewinnen.

Oder ich lasse mich doch von den „Yes Men“ als „Republikaner-Hostess“ ausbilden und gehe mit John Ashcroft, dem wahrscheinlich einzigen Justizminister der Welt, der den nackten Busen Justitias verhängen ließ, ins „Museum of Sex“. Dort würde er auf Anarchisten und Pazifisten treffen, denn das „Museum of Sex“ hat auch für die Bush-Gegner die Eintrittspreise gesenkt – vorausgesetzt, sie tragen einen Anstecker mit der Aufschrift „Friedlicher Demonstrant“. Da stehen sie dann zusammen vor der Ausstellung „Sex im Zeichen der Lotusblüte“ und lesen: „Wer die Liebeskunst beherrscht, ist wie ein guter Koch … wer sie nicht kennt, wird einen frühzeitigen Tod sterben, ohne je wirklich genossen zu haben …“

Aber wahrscheinlich packe ich einfach meine Sachen und ziehe für fünf Tage nach Coney Island an den Strand. Da trainieren die Leute an den Imbissständen für das jährliche „Hot-Dog-Wettessen“ – als gäbe es Manhattan und George W. Bush überhaupt nicht. ANDREA BÖHM