Grüne wollen die Rentner nicht schonen

Ulla Schmidts Vorschlag zur Belastung Kinderloser inder Pflegeversicherung stößt auf Kritik: „Flickschusterei“

BERLIN taz ■ Die Grünen wollen Ulla Schmidts Entwurf zur Belastung Kinderloser in der Pflegeversicherung nicht durchgehen lassen. Heute beraten sie auf ihrer Klausur in Bad Saarow, was sich bei der Belastung von Langzeitarbeitslosen und bei der Pauschalbefreiung von heutigen Rentnern an der Vorlage der Sozialministerin ändern lässt.

Am Samstag auf der Kabinettsklausur in Bonn könne es dann eine rot-grüne Einigung geben, erklärte die grüne Pflegepolitikerin Petra Selg gestern der taz. „Es ist uns ein komplettes Rätsel, wie das Ministerium diesen Vorschlag sachlich rechtfertigen will“, sagte Selg. Bei allen Schwierigkeiten mit dem Karlsruher Urteil sei dies nun „eine weitere Flickschusterei“.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im April 2001 geurteilt, dass Eltern ab 2005 in der Pflegeversicherung besser gestellt werden müssen als Kinderlose. Die Umsetzung dieses problematischen Urteils wollte Rot-Grün zunächst in eine Pflegereform einbetten, in der neue Belastungen mit neuen Leistungen gekoppelt worden wären. Doch der Kanzler kippte die Reform, übrig blieb bloß das Urteil.

Schmidts Vorschlag sieht vor, dass Bürger über 23 Jahre, die keine Kinder haben, einen Zuschlag von 0,25 Prozentpunkten zahlen. Ihr Pflegeversicherungsbeitrag erhöht sich so auf 1,95 Prozent. Ausgenommen sind Eltern, deren Kind gestorben ist, sowie Eltern von Adoptiv-, Stief- und Pflegekindern. Auch Zivil- und Wehrdienstleistende sowie alle, die vor 1940 geboren sind, zahlen keinen Zuschlag – und somit alle kinderlosen Rentner.

Dies wird im Entwurfstext damit begründet, dass „die Kinderzahlen in einer Zeit zurückgegangen sind, als die nach 1940 geborenen Jahrgänge etwa Mitte zwanzig oder jünger waren und zu dieser Zeit und in der Folgezeit als Eltern in Betracht kamen“. Die Jahrgänge bis 1940 dagegen „haben noch in ausreichendem Maße Kinder geboren“.

Nicht nur dies bereitet Selg „Riesen-Bauchschmerzen“. Es sei unfair, nichtbiologische, aber erziehende Väter zu belasten, derweil mancher biologische Vater sich um nichts kümmere. Empfängern von Sozialhilfe und künftig Arbeitslosengeld II würden 90 Cent mehr abgeknöpft. Es sei außerdem vollkommen unklar, ob also die kalkulierten 700 Millionen Euro pro Jahr hereinkämen. Das Ministerium rechnet mit elf Millionen Betroffenen – „dabei weiß niemand, wie viele Kinderlose über 23 es eigentlich gibt“, sagte Selg.

Die Union schlug gestern alternativ vor, die Pflegebeiträge arbeitnehmerseits zunächst für alle zu erhöhen und dann Eltern einen Nachlass von fünf Euro pro Kind zu gewähren. Da die Pflege jedoch nicht durch den Bundesrat muss, braucht die Regierung die Forderungen der Opposition nicht groß zu beachten.

ULRIKE WINKELMANN

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