Mehr Geld für reiche Babys

Familienministerin Schmidt will auch Besserverdiener zum Kinderkriegen animieren. Künftig soll der Staat Lohnersatz zahlen. Das soll die Elternzeit für Väter attraktiver machen. Vorbild ist Schweden

„Wenn sich Eltern für ein Kind entscheiden, dann in der Regel auch fürs zweite “

AUS BERLIN COSIMA SCHMITT

Kinderkriegen soll attraktiver werden – vor allem für Gutbetuchte. In die gestern begonnene Kabinettsklausur bringt Familienministerin Renate Schmidt (SPD) einen Entwurf ein, der ab 2006 eine neue Babylust bescheren soll: Bleibt Mutter oder Vater zum Nachwuchshüten daheim, zahlt der Staat Lohnersatz – einen festen Anteil des letzten Einkommens. Sie wolle mehr Paare motivieren, ein Kind zu bekommen, so die Ministerin.

Der Kanzler selbst hat Ministerin Schmidt im Juli beauftragt, ein neues Erziehungsgeldmodell zu entwickeln. In ihrem Vorschlag stützt sich Schmidt nun auf zwei Entwicklungen: Nirgends leben so viele Frauen, die gar kein Kind haben, wie hierzulande, sagte die Ministerin. Eine Nation der Einzelkinder sei Deutschland aber nicht: „Wenn sich Eltern für das erste Kind entscheiden, dann entscheiden sie sich in der Regel auch für das zweite.“ Im Blick hat Schmidt vor allem gebildete jungen Frauen, die viel verlieren, wenn sie den Job aufgeben – und daher allzu oft auf Nachwuchs verzichten. Mehr als jede dritte Akademikerin bleibt kinderlos, in der Gesamtbevölkerung ist es nur jede vierte Frau.

Bisher zahlt der Staat Eltern, die ihr Kind selbst betreuen und höchstens 30 Stunden pro Woche arbeiten, eine Erziehungsgeld-Pauschale. Sie können wählen: Entweder sie erhalten maximal 300 Euro, bis das Kind sein zweites Lebensjahr vollendet. Oder sie bekommen höchstens 450 Euro im Monat, bis das Kind ein Jahr alt ist. Dies gilt jedoch nur, wenn das arbeitende Elternteil im Jahr nicht mehr als 30.000 Euro netto verdient. Alleinerziehende dürfen höchstens 23.000 Euro verdienen. Wenn das Kind sieben Monate alt wird, sinken die Grenzen, bis zu denen Anspruch auf Erziehungsgeld besteht.

Schmidt prüft nun das Vorbild Schweden. Der skandinavische Staat zahlt weit mehr für jedes Baby – das aber für eine kürzere Frist. „In allen anderen Ländern sind die Unterbrechungszeiten kürzer als bei uns“, sagte Schmidt. „Jetzt muss man schauen, wie man das bei uns umstrukturieren kann.“

In Schweden erhalten Mutter oder Vater in den ersten 56 Wochen 80 Prozent des Bruttoeinkommens, maximal 2.500 Euro pro Monat. Der hohe Lohnersatz soll auch die Väter, die meist mehr verdienen, zum Dienst an der Wiege motivieren. Auch sonst setzt Schweden auf frühe Vater-Kind-Bindung: Nach der Geburt dürfen Väter zehn Tage Urlaub nehmen – bei 80 Prozent des Lohns. Zudem sind zwei Monate der Elternzeit für den Vater reserviert. Nimmt er die „Papa-Monate“ nicht, verfallen sie ersatzlos. Etwa jeder dritte schwedische Vater steigt wenigstens kurzzeitig aus dem Job aus, um sich dem Kind zu widmen. In Deutschland nehmen nur fünf Prozent der Väter Elternzeit.

Erst die Kabinettsklausur wird zeigen, ob Schmidts Elterngeldmodell Wahlkampfthema werden könnte. Noch sind die Pläne zu wenig konkret. Weder steht fest, wie hoch der Lohnersatz sein soll, noch, wie lange der Staat ihn zu zahlen gedenkt. Unklar ist auch, ob ein solches Modell mehrheitsfähig wäre. Es würde einen politischen Richtungswechsel bedeuten: von einer Nothilfe für Bedürftige zu einer Kinderprämie für Gutverdiener. Schmidt sieht das neue Elterngeld als Teil einer Doppelstrategie. Sie will mehr Geld für die Zeit ohne Job – und umfassende Kinderbetreuung, die den Wiedereinstieg ermöglicht.

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