Schundige Träume

Thema verfehlt und verhunzt: Mit ihrem neuen Kriminalroman „Der rote Wolf“ begibt sich Liza Marklund in das Milieu einer schwedischen Maoistengruppe der späten Sechzigerjahre

Liza Marklund, die überaus erfolgreiche schwedische Krimi-Autorin, hat uns mit ihren bisherigen Büchern um ein paar wichtige Einsichten zum Thema Journalismus/Karrieregeilheit/Machtmissbrauch bereichert. Mit ihrem neuen Krimi „Der rote Wolf“ hat Marklund allerdings das Thema „Der Weg zum Terrorismus und zurück“ auf geradezu exemplarische Weise verhunzt.

Halten wir uns nicht lange bei den für den Fortgang der Handlung gänzlich entbehrlichen Eheschwierigkeiten von Marklunds Heldin Annika Bengtzon auf. Konzentrieren wir uns auf den Hauptstrang der Story, eine Mordserie im nordschwedischen Lulea und deren Hintergrund, die späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahre. Die Schilderung der heute gänzlich heruntergekommenen Industriestadt gelingt Marklund ausgezeichnet, hingegen wirken die Protagonisten, ehemals Mitglieder einer maoistischen Gruppe in Lulea, allesamt, als stammten sie aus dem Reich Absurdistan. Der charismatische Boss der Gruppe, der, einen Geldsack schleppend, todkrank in die Heimat zu den Exgenossen zurückkehrt, wird als Auftragskiller der ETA porträtiert. Als ob für solche Jobs nicht genügend Basken zur Verfügung stünden. Mag ja sein, dass die Rotgardisten Nordschwedens einer infantilen Regression unterlagen, dass sie sich aber gegenseitig Indianernamen gaben wie eben „Der rote Wolf“, entbehrt jeder Glaubwürdigkeit.

Marklund unterlässt es, auch nur eine Ahnung davon zu vermitteln, was die Linksradikalen in Schwedens Nordprovinz damals so dachten. Sie verwendet den Begriff der „maoistischen Splittergruppen“, als ob es sich um eine Geißel gehandelt habe, von der das Schweden der Sechzigerjahre unerklärlicherweise heimgesucht worden war.

Das „Nachleben“ dieser Maoisten, eigentlich ein interessantes Thema, wird von Marklund verschleudert. Eine ehemalige Aktivistin, jetzt sozialdemokratische Ministerin, ein durchgeknallter Einzelkämpfer, der sich in alten Gewissheiten einmauert und zum Mörder wird – das ist der Stoff, aus dem diese schundigen Träume sind.

Marklund beruft sich bei ihrem Krimi auf eine zeitgeschichtliche Analyse, nämlich Torbjörn Säfves „Rebellnera i Sverrige“ von 1971 (im Internet aufrufbar), entnimmt aber dieser nützlichen Quelle nur einige Allgemeinplätze über die angebliche psychische Disposition der damaligen Rebellen, nämlich ihren Antiintellektualismus, ihr puritanisches Gehabe und ihre quasireligiöse Verehrung des Vorsitzenden Mao. Von den politischen Kämpfen im Milieu des maoistischen Radikalismus der späten Sechzigerjahre, vom oft beachtlichen intellektuellen Niveau der involvierten Gruppen und Persönlichkeiten erfahren wir nichts. So bleibt dem Leser nur die Erkenntnis, dass es sich beim schwedischen Polarkreis um einen ziemlich unangenehmen Aufenthaltsort handeln muss. CHRISTIAN SEMLER

Liza Marklund: „Der Rote Wolf“. Aus dem Schwedischen von Paul Berf. Hoffmann und Campe, Hamburg 2004, 448 S., 22,90 Euro