Nicht ohne meinen Senf

Der amerikanische Schauspieler Seymour Cassel leitet die internationale Jury auf dem 11. Oldenburger Filmfest. Ein Gespräch über die Unabhängigkeit des Kinos

Das inzwischen 11. Internationale Filmfest wird morgen in Oldenburg eröffnet. Traditionell stehen vornehmlich Independent-Produktionen auf dem Programm. Zum ersten Mal gibt es einen mit 5.000 Euro dotierten German Independence Award, der von einer internationalen Jury unter der Leitung von Schauspieler Seymour Cassel vergeben wird.

taz: Herr Cassel, schon 1996 spielten Sie in einem Filmfest-Trailer mit und waren 1999 der mit einem „Tribute“ gefeierte Ehrengast in Oldenburg. Wie schätzen Sie das Filmfest ein?

Seymour Cassel: Ich unterstütze unabhängige Filme und Leute, die sie auf Festivals in Städten zeigen, wo man sonst diese Art von Kino nie zu sehen bekäme. Solch ein Festival bringt dann eine wunderbare Vielfalt von Filmen zum heimischen Publikum.

Was erinnern Sie von Ihrem letzten Besuch in Oldenburg vor fünf Jahren?

Das Wetter war kalt, aber ansonsten hatte es eine angenehm familiäre Atmosphäre. Man traf viele Cineasten und hatte Zeit, mit ihnen zu reden.

Sie sind ja jetzt Präsident einer Jury, die einen German Independence Award vergibt. Gibt es grundsätzliche Unterschiede zwischen deutschen und amerikanischen unabhängigen Filmen?

Unabhängige Filmemacher sind sich überall ähnlich wo ich mit ihnen zusammengearbeitet habe. Sie wollen kein Geld machen, sondern Filme. Sie haben meist ein Drehbuch geschrieben, und diese Geschichte wollen sie unbedingt und mit großer Leidenschaft auf der Leinwand sehen.

Sie haben ja in den frühen 60er Jahren zusammen mit ihrem Freund John Cassavetes den amerikanischen Independent Film aus der Wiege gehoben, aber auch Gastrollen in Fernsehserien übernommen. Sehen Sie sich als einen der letzten treuen Kämpfer des handgemachten Kinos in den USA?

Fernsehen und Hollywood sind für mich Fabriken. Da arbeite ich fürs Geld, aber Spaß hat mir immer die Arbeit an den kleinen eigenwilligen Filmen gemacht. Mit John war es wie in einem Ensemble im Theater, wo man ein großes Repertoire spielen konnte. Da gab es so viel mehr Möglichkeiten, sich zu entfalten als in den Studios. Und dieses Gefühl erhoffe ich mir jedes Mal wieder, wenn ich bei einem unabhängigen Film mitspiele.

Sie sehen dabei ja auch zwangsläufig, wie die jungen Filmemacher die typischen Fehler von Anfängern machen. Sagen Sie dann was oder halten Sie lieber den Mund?

Nein, ich muss immer meinen Senf dazugeben. Ich habe gerade einen Film in Long Island abgedreht, bei dem die Regisseurin bei den Aufnahmen nie auf den Set, sondern immer nur auf den Monitor geschaut hat, und ich gab ihr dann einen Viewfinder in die Hand und sagte ihr, nur damit könne sie ihre eigenen Einstellungen bestimmen, sonst entscheide der Kameramann, wie der Film aussieht.

Ist es nicht auch ein Problem, dass die Kinoindustrie versucht, die Filmgeschichte vergessen zu machen, um dann an den Remakes zu verdienen?

Das junge Publikum von heute kennt Fellini und die großen französischen, deutschen oder englischen Filmemacher von früher nicht mehr. So gibt es etwa eine wunderschöne Komödie aus den Ealing Studios mit Alec Guinness und Peter Sellers unter dem Titel „Ladykillers“, und Hollywood fällt nichts Besseres ein, als davon ein Remake mit Tom Hanks zu machen. Und die Coen Brothers, die, wenn sie nur wollen, wirklich gute Filme inszenieren können, machen jetzt solch ein Stück Mist.

Fragen: Wilfried Hippen.

www. filmfest-oldenburg.de