Friedensaktivist und streitbarer Schreiber

Uri Avnery erhielt zum ersten Mal in Israel einen Preis. Als Journalist prägte er die Medienlandschaft seiner Heimat

Uri Avnery wurde 1923 im westfälischen Beckum als Helmut Ostermann geboren. In Hannover drückte er zusammen mit Rudolf Augstein die Schulbank. Gleich nach Hitlers Machtergreifung 1933 emigrierte seine Familie nach Palästina. Als 15-Jähriger wurde der Junge Mitglied der Untergrundgruppe Irgun Zwai Leumi, die gegen die britische Besatzung kämpfte. Er verließ die Organisation drei Jahre später wegen ihrer antiarabischen und reaktionären Haltung. 1947 veröffentlichte Avnery unter seinem angenommenen hebräischen Namen sein erstes Werk, in dem er eine Kooperation zwischen den jüdischen und arabischen Nationalbewegungen mit dem Ziel einer „semitischen Gemeinschaft“ propagierte. Im Unabhängigkeitskrieg kämpfte er als Mitglied einer Kommandoeinheit. In dieser Zeit begann er seine journalistische Karriere – mit Zeitungsreportagen über seine Kampferfahrungen. An der ägyptischen Front wurde er schwer verletzt. Mit der Entschädigungssumme, die er für seine Verwundung erhielt, kaufte er das bankrotte Magazin Ha’Olam Ha’Seh, das alsbald in Israel zu einer Institution wurde: Es war eine Mischung aus Nachrichtenmagazin und Kampfblatt einer aggressiven Opposition gegen das Establishment. Vierzig Jahre lang sorgte das Magazin unter den Lesern für eine hohe Dosis von sowohl Hass als auch Bewunderung. In dieser Zeit entwickelte Avnery auch seinen unkonventionellen, frechen Schreibstil, der von vielen israelischen Journalisten kopiert wurde.

Eine internationale Sensation rief Uri Avnery hervor, als er am 3. Juli 1982, mitten in Israels Schlacht zur Vertreibung der PLO aus dem Libanon, die feindlichen Linien überschritt und als erster Israeli mit dem Erzfeind, PLO-Führer Jassir Arafat, in Beirut zusammentraf. Für das Friedenslager gilt jenes Treffen als historischer Durchbruch.

Ein restriktives Pressegesetz, das vor allem Ha’Olam Ha’Seh zum Schweigen bringen sollte, veranlasste Avnery 1965 zur Gründung einer Partei gleichen Namens. Er zog in die Knesset ein und wurde bis zu seinem Rücktritt zugunsten eines arabischen Parteikollegen 1981 mit mehr als tausend Reden und hunderten von Gesetzesinitiativen zu einem der bekanntesten Parlamentarier. Finanzielle Schwierigkeiten zwangen ihn, das Nachrichtenmagazin Ha’Olam Ha’Seh genau 40 Jahre nach seiner Gründung einzustellen. Zuvor waren gegen Redaktionsräume und Druckerei mehrmals Bombenanschläge verübt worden. Avnery selbst hatte 1975 einen Mordversuch mit lebensgefährlichen Messerstichen überlebt. Ungebrochen gründete er Anfang der Neunzigerjahre die Friedensbewegung „Gusch Schalom“ (Friedensblock). Seitdem hat er weiterhin unermüdlich zusammen mit seiner Frau und Weggefährtin Rachel hunderte Demonstrationen organisiert, meist gemeinsam mit palästinensischen Aktivisten. In Wort und Tat tritt er für die Zwei-Staaten-Lösung und den Boykott von Produkten aus den Siedlungen ein. ANNE PONGER