Drei Viertel der Europäer für Supermacht EU

Eine neue Umfrage des German Marshall Fund in Europa und den USA zeigt unterschiedliche Wahrnehmungen des transatlantischen Verhältnisses – und eine Polarisierung der USA zwischen Republikanern und Demokraten

BERLIN taz ■ Die globale Führungsrolle der USA wird in Europa zunehmend kritisch gesehen. Mehr als die Hälfte aller Europäer, 58 Prozent, finden eine US-amerikanische Führungsrolle nicht wünschenswert. Nur 9 Prozent der Europäer befürworten die USA als einzige Supermacht. Das ergab eine Umfrage, die im Auftrag des German Marshall Fund in zehn europäischen Ländern und den USA durchgeführt wurde und heute unter dem Titel „Transatlantic Trends 2004“ in Berlin vorgestellt wird. Bei der dritten Untersuchung dieser Art wurden rund 11.000 Personen in zehn europäischen Ländern und den USA nach ihren Ansichten zur internationalen Politik und zum transatlantischen Verhältnis befragt.

Eine überwiegende Mehrheit der Europäer, nämlich 71 Prozent, ist der Meinung, dass die EU neben den USA zu einer weiteren Supermacht werden sollte. 73 Prozent der Deutschen und sogar 83 Prozent der Franzosen sind dieser Meinung. Immerhin auch 41 Prozent der US-Amerikaner teilen diese Ansicht. Bezüglich der Konsequenzen gehen die Meinungen dann allerdings wieder auseinander: Zwar sind 63 Prozent der Europäer (53 Prozent der Deutschen) der Meinung, dass Europa mehr militärische Stärke braucht, um seine Interessen unabhängig von den USA wahren zu können. Jedoch sind nur 48 Prozent der Europäer (und 37 Prozent der Deutschen) bereit, dafür auch den Militärhaushalt aufzustocken.

Die größten Unterschiede zwischen Europäern und US-Amerikanern zeigen sich bei der Bewertung des Irakkriegs und der Außenpolitik der Regierung Bush. 76 Prozent der Europäer lehnen die Außenpolitik der Bush-Regierung völlig oder teilweise ab, während in den USA noch immer eine knappe Mehrheit im Prinzip mit dem Präsidenten einverstanden ist – allerdings entlang der Parteigrenzen: 85 Prozent republikanischer Wähler, aber nur 19 Prozent der Demokraten.

50 Prozent der US-Amerikaner (80 Prozent der Europäer, 89 Prozent der Deutschen) meinen, dass der Irakkrieg die Opfer an Menschenleben nicht wert war. Aber: 77 Prozent der Republikaner halten den Krieg für richtig, 80 Prozent der Demokraten halten ihn für falsch. 81 Prozent der Demokraten, aber nur 26 Prozent der Republikaner fänden es notwendig, zukünftig in einer ähnlichen Situation wie vor dem Irakkrieg die Zustimmung der Vereinten Nationen einzuholen – immerhin sind 58 Prozent der US-Amerikaner insgesamt dieser Meinung. 83 Prozent der Republikaner, aber nur 35 Prozent der Demokraten sind mit der fortdauernden Präsenz US-amerikanischer Truppen im Irak einverstanden.

Als Erfolg gegen den Terror wird der Irakkrieg nirgendwo angesehen: 26 Prozent der US-Amerikaner (5 Prozent der Europäer) meinen, dass die Bedrohung durch den Terrorismus nach dem Irakkrieg abgenommen habe, 49 Prozent sind der Ansicht, sie sei gewachsen (Europa: 72 Prozent.

Dabei haben die US-Amerikaner nach wie vor mehr Angst vor einem Terroranschlag mit Massenvernichtungswaffen als die Europäer: 75 Prozent der US-Amerikaner, aber nur 53 der Europäer (Deutschland: 37 Prozent) fühlen sich davon extrem bedroht.

Auch die Rolle des Militärischen trennt Supermacht und Europäer: 54 Prozent der US-Amerikaner sind stark oder einigermaßen überzeugt davon, dass militärische Stärke der beste Weg ist, um den Frieden zu sichern – gegenüber nur 34 Prozent Europäern (Deutschland: 27 Prozent). Allerdings zeigen sich die USA auch in dieser Frage gespalten: 73 Prozent der Republikaner, aber nur 48 Prozent der Demokraten bevorzugen das Militär zur Friedenssicherung.

Kein Blut für Öl – der Spruch hat es schwer: 44 Prozent der US-Amerikaner sind der Meinung, dass ein Militäreinsatz zur Sicherung von Öllieferungen gerechtfertigt ist – und sind sich dabei einig mit 37 Prozent der Deutschen, 48 Prozent der Niederländer, 50 Prozent der Franzosen, 52 Prozent der Briten, 57 Prozent der Portugiesen und 69 Prozent der Türken.

Nach ihren Gefühlen für die anderen Länder gefragt, ergibt sich ein differenziertes Bild. Die Befragten wurden gebeten, auf einer Skala von 0 (sehr schlecht) bis 100 (sehr gut) einen Wert anzugeben.Während in Deutschland das Ansehen der USA auch im letzten Jahr weiter gesunken ist (55), ist das Image Deutschlands in den USA wieder leicht gestiegen (61). Frankreich rangiert in der Gunst der US-Amerikaner nur knapp vor China, aber hinter der Türkei, wobei sich wiederum starke Unterschiede zwischen den Republikanern ergeben, die selbst Saudi-Arabien und China noch sympathischer finden, und den Demokraten, die lediglich Deutschland noch lieber mögen als Frankreich.

BERND PICKERT

www.transatlantictrends.org