„Diese Entschließung ist eine Rauchbombe“

Eher Wahlkampf als Kriegserklärung sei die Resolution, meint der polnische Journalist Adam Krzeminski

taz: Herr Krzeminski, haben die Polen noch eine Rechnung offen mit den Deutschen?

Adam Krzeminski: Ja und nein. Juristisch ist die Lage so gut wie eindeutig. Diese polnische Treuhand hat keine Chance, erfolgreich zu sein. Andererseits gibt es manchen Sprengstoff aus den letzten 15 Jahren. Es fängt mit dem Tauziehen um die Grenze im Frühjahr 1990 an. Schon damals hätte Deutschland alle deutschen Ansprüche abwehren können. Dem konservativen Teil der polnischen Öffentlichkeit gelang es in den letzten zwei Jahren, Misstrauen gegenüber der deutsch-polnischen Politik zu wecken.

Es gibt offenbar sehr tief sitzende Vorbehalte.

Beim Referendum im letzten Jahr waren gerade die Polen, die in den ehemaligen deutschen Gebieten wohnen, eindeutig proeuropäisch. Heute mag das anders sein. Politik und Medien machten das Zentrum gegen Vertreibung und die Preußische Treuhand zum Hauptthema der polnischen Deutschlandpolitik. Die Politiker wuchern mit Ängsten, die es de facto so nicht gab.

Wie bewerten Sie die Entschließung des Sejm, ist sie nur eine Drohgebärde?

Ich halte sie für eine Rauchbombe. Diese Resolution ist ein politischer Fehler.

Wieso kommt sie gerade jetzt?

Das war absolut überraschend. Noch drei Tage zuvor haben Markus Meckel und Jerzy Jaskiernia, der Vorsitzende des gemeinsamen Ausschusses von Bundestag und Sejm, öffentlich über eine mögliche gemeinsame Erklärung gesprochen. Den plötzlichen Umschwung kann ich nur innenpolitisch deuten. Die von den sozialdemokratische Regierungsfraktion denkt sich, es ist besser mit dem Strom zu schwimmen. Schließlich muss sich ihr Ministerpräsident Marek Belka in wenigen Wochen einem Vertrauensvotum stellen.

Das heißt, Deutschland ist ein Faktor und Sündenbock der polnischen Innenpolitik?

Genau wie immer wieder die Polenpolitik in Deutschland. Man muss sich nur mal anschauen, wie die CSU zu allen Bundestagswahlen mit den Ansprüchen der Vertriebenen operiert. Auf jeden Fall sind die Akzeptanz und die Sympathien der Polen für die Deutschen größer als umgekehrt.

Rückt dennoch eine Eiszeit in den deutsch-polnischen Beziehungen heran?

Nein, aber ich befürchte, es wird mehrere Monate keine positive Bewegung in unseren Beziehungen geben. Wir haben jetzt einen permanenten Wahlkampf. Und der neue Sejm könnte noch nationaler geprägt sein, als der jetzige.

Wie groß ist in Polen die Angst vor den Forderungen der Preußischen Treuhand?

Das ist keine Angst, sondern Unsicherheit und Verärgerung. Das Einfachste wäre, wenn die deutsche Politik alle Hängepartien der Vergangenheit zu Ende spielen würde, zum Beispiel im Falle der Entschädigungen.

Haben sich die Deutschen die momentane Misere also selbst zuzuschreiben?

Nicht ganz. Aber es ist eine Tatsache, dass Polen 1953 auf Druck von Stalin und zugunsten der DDR auf Reparationen verzichten musste. Das gilt. Aber anstatt auf deutscher Seite Empathie gegenüber Polen zu wecken, heißt es in Deutschland ständig: unsere armen Vertriebenen. Das empört die Polen. Sie fühlen sich als verkannte Opfer des deutschen Überfalls, und so schlägt sich das dann nieder.

INTERVIEW: ANNA LEHMANN