Naturmais vom Aussterben bedroht

Genfood-Gegner demonstrieren zum Auftakt der internationalen Biotechnologiekonferenz vor der Kölnmesse. Bärbel Höhn, die grüne Umweltministerin in NRW, wird auf der Gegenkonferenz wegen „durchsichtigen Doppelspiels“ scharf attackiert

Von Volker M. Leprich

„Wir werden zu Zwangskonsumenten gemacht. Und die Bauern zu Zwangsproduzenten.“ So fasste die Soziologin Maria Mies gestern während einer Protestaktion in Köln die Kritik der Gegner gentechnisch veränderter Nahrungsmittel zusammen. Rund 80 Demonstranten hatten sich zum Auftakt der internationalen Konferenz „Agricultural Biotechnology International Conference“ (ABIC) vor der Kölnmesse versammelt.

Als einen „Akt struktureller Gewalt“ gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung bezeichnete Mies, emeritierte Professorin für Soziologie an der Fachhochschule Köln und Ökofeministin, das Aufzwingen einer Technologie, über deren Konsequenzen sich die Wissenschaftler selber nicht im Klaren seien.

„Was beantwortet werden muss, ist, ob morgen noch gentechnikfreie Landwirtschaft möglich ist“, meinte Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (ABL). Konferenzen brächten da keine Antworten. Vielmehr sei die Zusammenarbeit von Bäuerinnen und Bauern mit wichtigen Organisationen wie BUND, Greenpeace, BioSkop, Attac und anderen gefragt, die sich an der Protestaktion in Deutz beteiligten.

Die zum Schutz von gentechnikfreien Anbauflächen laut Gesetz vorgeschriebenen Abstandsflächen oder Schutzhecken betrachten die Gegner nicht als geeignete Mittel. Die Gefahr des Auskreuzens, der Übertragung gentechnisch veränderten Saatgutes, bestehe nicht nur durch Pollenflug, sondern auch durch Wild, Bienen und Insekten, und dies in einem nicht mehr kontrollierbaren Radius.

Doch nicht nur um gentechnikfreien Anbau in der eigenen Region sorgen sich die Gentech-Kritiker. Auf einer Alternativkonferenz am Sonntag wurde auch die globale Dimension des Problems beleuchtet. Wie Afsar H. Jafri von Research Foundation for Science, Technology and Ecology (Indien) berichtete, hätten sich in seinem Land 25.000 Kleinbauern, die durch Beschaffung und Anbau gentechnisch veränderten Saatgutes in eine Schuldenspirale geraten seien, das Leben genommen. Nur nachhaltige Landwirtschaft, wie sie etwa von Hilfsorganisationen wie Misereor oder Brot für die Welt gefördert wird, helfe, die Probleme zu lösen und wirtschaftliche Unabhängigkeit für die Bauern in der „Dritten Welt“ zu schaffen.

Irene Fernandez von der malaysischen Menschenrechtsorganisation Tenaganita äußerte scharfe Kritik an der Welthandelsorganisation (WTO), die neben den transnationalen Unternehmen zu den eigentlichen „globalen Terroristen“ zu zählen sei. Fernandez ist Mitglied der Peoples' Caravan for Food Sovereignty, die sich zur Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen seit dem 1. September auf einer Tour durch elf asiatische Ländern befindet, um der Forderung nach Nahrungssouveränität Ausdruck zu verleihen.

Gemischte Gefühle rief der nicht angekündigte Auftritt der nordrhein-westfälischen Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) hervor, die für ein Grußwort an die Teilnehmer der Alternativkonferenz angereist war, an der Konferenz selbst aber nicht teilnahm. Lothar Gothe, Bauer und als Mitglied des Netzwerks Gentechnikfreies Oberberg Mitveranstalter der Kölner Konferenz, zeigte sich überrascht und empört. Höhn habe sich zwar gegen Gentechnologie ausgesprochen, doch empfinde er ihr Auftreten als „unverschämte Politshow“ und „durchsichtiges Doppelspiel“. Schließlich gehöre sie zur Landesregierung aus SPD und Grünen, die die ABIC nicht zuletzt finanziell unterstütze.

Noch befremdlicher allerdings sei für ihn, dass das Ministerium auf eine frühere Anfrage, ob NRW überhaupt noch eine gentechnikfreie Zone sei, antwortete, dass zwei Tonnen Genmais-Saatgut nach NRW importiert worden seien. Das Ministerium hätte aber weder etwas über deren Verbleib sagen können, noch ob sie ausgesät worden seien. In solch einer Situation habe er das Gefühl, dass „der Staat verschwindet“.

Noch bis zum 15. September findet die ABIC in der Kölnmesse statt. An diesem Tag lädt die Junge Linke Köln um 19.30 Uhr zur Informationsveranstaltung „Gentechnik – Gefahr für Landwirtschaft und Lebensmittel“ im Naturfreundehaus Köln-Kalk ein. Heute läuft in der Alten Feuerwache der Dokumentarfilm „Leben außer Kontrolle: Von Genfood und Designerbabys“, von Bertram Verhaag und Gabriele Kröber. (19.30 Uhr, Melchiorstr. 3)