Tatort Guantánamo Bay

Ein Strafkommando „Extreme Reaction Force“ bedroht, schlägt und demütigt im Auftrag der US-Streitkräfte Gefangene in Guantánamo, die sich nicht perfekt den Vorschriften unterwerfen

BERLIN taz ■ Die in Guantánamo wegen terroristischer Straftaten Verdächtigen werden von einem speziellen Strafkommando bedroht und systematisch geschlagen. Diese aus US-Soldaten zusammengesetzte „Extreme Reaction Force“ (ERF) wird immer dann eingesetzt, wenn Gefangene sich nicht peinlich genau an die Vorschriften halten. Das geht aus Recherchen des Journalisten David Rose in Guantánamo und in den USA hervor, die die taz heute in Auszügen erstmals veröffentlicht. Sein Bericht „Guantánamo Bay“ erscheint am Montag im S. Fischer Verlag.

Einem internen Guantánamo-Dokument zufolge wird den Gefangenen „strengste Bestrafung“ für den Fall angedroht, dass sie den „Verhaltensnormen für Häftlinge“ nicht entsprechen. Diese Normen schreiben unter anderem vor, dass die Gefangenen sich jederzeit höflich verhalten, den Anordnungen der Sicherheitskräfte jederzeit Folge leisten und niemanden belästigen, behelligen oder verletzen. Die Vorschriften gehen so weit, dass darin die genaue Anordnung von Seife, Duschsandalen, Zahnpasta, Zahnbürste, Handtuch und Wasserflasche festgelegt ist.

Zur Existenz der „Extreme Reaction Force“ (ERF) zur Bestrafung der Inhaftierten geben die US-Offiziere auf Guantánamo keine Auskünfte. Allerdings stimmen die Aussagen inzwischen freigelassener Gefangener überein: So erklärte Tarek Dergoul, die ERF-Schlägertruppe habe ihn überfallen, nachdem er eine Leibesvisitation verweigert hatte. Shafiq Rasul berichtete: „Du wirst von einem Soldaten mit einem Polizeischild zu Boden geschleudert, mit Gewalt niedergedrückt und von fünf bewaffneten Männern zusammengeschlagen.“ Andere Inhaftierte erklärten, die ERF-Kommandos bestünden aus acht oder neun US-Wärtern.

Den Aussagen des Gefangenen Dergoul zufolge kam es bei den ERF-Einsätzen auch zu Folterungen ähnlich der in dem irakischen Gefängnis Abu Ghraib. Nachdem er zusammengeschlagen worden war, habe man ihm Bart, Kopfhaar und Augenbrauen abrasiert. Zwei andere ehemalige Gefangene, Asis Iqbal und Ruhal Ahmed, schrieben, dass einer Wärterin befohlen worden sei, einen Inhaftierten in seiner Zelle zu treten und zu schlagen, was diese auch getan habe.

Die Misshandlungen wurden auf Video festgehalten. Das geht aus den Aussagen von Sean Baker hervor, der im Januar 2003 als US-Soldat bei einer Übung den Gefangenen spielen musste, ohne dass die ERF-Soldaten dies wussten. Baker wurde dabei schwer verletzt und deshalb später aus der Armee entlassen. Ein US-Presseoffizier sagte dazu, alle Aktionen würden gefilmt, um festzustellen, ob die Kommandos unverhältnismäßige Gewaltmittel einsetzten. KLH

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