10 Millionen für den Kölner Müllkönig

Der Entsorgungsunternehmer Hellmut Trienekens muss zweieinhalb Jahre nicht hinter Gitter. Der Mann, der ein Netzwerk der Einflussnahme auf politische Entscheidungsträger hatte, wird verurteilt – wegen Steuerhinterziehung. Sehr kurzer Prozess

AUS KÖLN PASCAL BEUCKER

Maximal drei Stunden lang sei er verhandlungsfähig, hatten ihm die Ärzte bescheinigt. Doch solange musste Hellmut Trienekens die Schmach gar nicht ertragen. Nach zwei Stunden im Verhandlungssaal 7 des Kölner Landgerichts endete der Auftritt des herzkranken 66-Jährige. Dann verurteilte das Gericht den Entsorgungsunternehmer zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren und zu einer zehn Millionen Euro hohen Geldbuße – wegen Steuerhinterziehung. Kurzer Prozess, Fall erledigt.

In dem Prozess ging es gar nicht um jene schmutzigen Geschäfte, die Trienekens vor zweieinhalb Jahren bundesweit in die Schlagzeilen und im Juni 2002 auch fünf Wochen in Untersuchungshaft gebracht hatte: Weder der Kölner noch der Bonner Müllskandal waren Thema. Ebenso wenig kam zur Sprache, wie der einstige „Müllkönig“ die politische Landschaft „beatmete“. Eine Antikorruptionskommission der NRW-Landesregierung attestierte Trienekens, „ein flächendeckendes Netzwerk der Einflussnahme auf politische Entscheidungsträger“ aufgebaut zu haben. Verhandelt wurde ausschließlich wegen der Hinterziehung von Körperschafts- und Gewerbesteuern in Höhe von 5.304.249 Mark.

„Wenn wir alles hätten verhandeln wollen, hätten wir gar nichts verhandeln können“, begründete der Vorsitzende Richter Martin Baur die Konzentration auf Steuerdelikte. Aber hätte er nicht wenigstens den Angeklagten einmal danach fragen können, wozu der denn mit Hilfe von Scheinrechnungen etliche Millionen am Fiskus vorbei an eine Schweizer Briefkastenfirma verschoben und dort eine „Kriegskasse“ gebildet hatte? Keinem der Prozessbeteiligten kam auch nur einmal das Wort „Korruption“ über die Lippen. Was mit dem Geld passiert sei, „ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens“, sagte Baur.

Das Gericht hatte schon vor Prozessbeginn „intensive vorbereitende Überlegungen“ angestellt – gemeinsam mit der Verteidigung und der Anklage. Nein, „Geheimverhandlungen gab es nicht“, betonte Richter Baur. Aber dafür schon frühzeitig eine Einigung auf ein Urteil. So einigte man sich darauf, erst gar keine aufwändige Beweisaufnahme vorzunehmen oder irgendwelche Zeugen zu vernehmen. Angaben zur Person, kurze Anklageverlesung, Geständnis des Angeklagten, allerdings kurz, Schlussplädoyers, abgesprochenes Urteil – so schnell geht Justiz.

Viel Arbeit, Ruhepol Familie – und Tränen

So war denn auch der Auftritt des einstigen Viersener Konzernchefs, der sein Unternehmen inzwischen an RWE Umwelt verkauft hat, eine Show. „Mein Leben bestand viele Jahrzehnte nur aus Arbeit“, schniefte Trienekens. Bei dem Satz „Meine Familie bildet den Ruhepol meines Lebens“ kullerten gar Tränen. Er sei eine „andere Art von Unternehmer“ gewesen, sagten seine Anwälte – und geißelten die „Raffgier in etlichen Konzernzentralen“. Dem Angeklagten, dessen Vermögen mehrere hundert Millionen Euro groß sein dürfte, sei es immer nur um das Wohl seines Unternehmens und seiner Arbeitnehmer gegangen.

Scharf attackierten Trienekens’ Anwälte die Medien. Eine ungeheuerliche „Vorverurteilungskampagne“ gegen seinen Mandanten habe es gegeben, klagte der Kölner Strafrechtsprofessor Norbert Gatzweiler. So habe sich „der ein oder andere Verbalpyromane“ geradezu an dessen menschlichem Leid „delektiert“. Während er für Trienekens nur mitfühlende Worte fand, schalt der Richter auch die Medien: „Die Presse ist janusköpfig, das ist völlig klar.“

Das Hauptverfahren gegen Trienekens wegen der Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit dem Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage wurde wegen seiner Herzkrankheit bisher nicht eröffnet. In Bonn hingegen will die dortige Staatsanwaltschaft wohl bereits in den kommenden Tagen eine umfangreiche Korruptionsanklage wegen mutmaßlichen Schmiergeldzahlungen an den Ex-CDU-Ratsfraktionschef Reiner Schreiber und den früheren Sankt Augustiner CDU-Ratsherrn Karl-Heinz Meys erheben. Doch ob Trienekens noch einmal irgendwo einen Gerichtssaal betreten muss, steht in den Sternen.