Fortgesetzte Selektion

Fachbereich Erziehungswissenschaft warnt vor CDU-Antrag zu Integrationsklassen und nennt geplante Förderzentren „problematisch“. Eltern demonstrieren für IR-Erhalt

Der Streit um die Abschaffung der Integrativen Regelklassen (IR) spitzt sich zu. Ende der vergangenen Woche begrüßte der Vorsitzende des Hamburger Verbands der Sonderpädagogik, Enno Bornfleth, den CDU-Antrag zur Schaffung neuer „Diagnose- und Förderzentren“. In dem Erhalt der 36 IR-Schulstandorte sieht er eine „nicht zu rechtfertigende Bevorzugung“ gegenüber den übrigen Grundschulen. Die Diffamierung des neuen Förderkonzepts als „Köfferchen-Pädagogik“, wie geschehen durch die Integrationsvertreter, werde durch Erfolge dieser Konzeption in anderen Bundesländern „eindeutig widerlegt“.

Bornfleth, der selbst Rektor einer Förderschule ist, fand allerdings mit dem Uni-Fachbereich Erziehungswissenschaft gewichtige Widersacher. In einem „Offenen Brief“ an Bürgermeister Ole von Beust (CDU), der jetzt der taz hamburg vorliegt, rät der Fachbereichsrat im Namen von Professor Karl-Dieter Schuck „dringend davon ab“, den CDU-Antrag zu verabschieden. Denn die geplanten Förderzentren würden im wissenschaftlichen Diskurs „als problematisch eingestuft“ – und das bereits seit 1973.

Demnach führten diese Zentren zu hohen Transportkosten aufgrund der Wege und einer erhöhten Zahl der zur Untersuchung gemeldeten Kinder. Doch das Ausmaß, in dem Kinder eine „Etikettierung“ als „behindert und randständig“ erhalten, müsse vermindert werden. Deshalb sei es notwenig, die Förderzentren dezentral an Grundschulen anzusiedeln und dort eine Diagnostik zu betreiben, die nicht „selektionsorientiert“, sondern vielmehr „lernprozessorientiert“ ist.

Sinnvoll seien diese Zentren zudem nur in Schulsystemen, die von vornherein „integrativ“ arbeiten, schreibt Schuck. Da aber in Hamburg das Schulsystem insgesamt „alles andere als integrativ“ sei, würden die nun geplanten Zentren zu einer weiteren „Konservierung der Gliedrigkeit und Selektionsorientierung“ führen. „Diese Systembedingungen sind es auch“, so schreibt Schuck weiter, „die für die deutsche Schule im internationalen Vergleich zu schlechten Noten führen.“

Wie berichtet, will die CDU den umstrittenen Antrag an diesem Mittwoch in der Bürgerschaft verabschieden. Dagegen rufen GEW, Elternverein und Integrations-Verbände für diesen Tag zu einer Demonstration vom Hauptbahnhof (Treffen 16 Uhr) zum Alsteranleger auf. Von dort aus soll das Geschehen im Rathaus mit einem lauten Pfeifkonzert kommentiert werden. Bereits für heute früh hat der Elternrat der IR-Schule Grumbrechtstraße im Stadtteil Harburg zu einer Demonstration, beginnend am Schultor, aufgerufen.

Kaija Kutter