Großbritannien will den Schuldenerlass

Kurz vor der Herbsttagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds setzt eine neue Initiative auch Deutschland unter Druck. Entwicklungspolitischer Sprecher der Grünen sieht das als Chance für einen Durchbruch

BERLIN taz/dpa ■ Großbritannien läutet eine neue Runde des Schuldenerlasses ein. Wie die BBC berichtet, will dollen die Briten den ärmsten Ländern ihre Schulden bei der Weltbank und anderen Entwicklungsbanken erlassen. In einem ersten Schritt dahin will die britische Regierung auf die Rückzahlung ihres Anteils an diesen Schulden verzichten. Die Vernehmen nach will Großbritannien die anderen Industriestaaten ermutigen, seinem Beispiel zu folgen.

Alle Krediten bei der Weltbank und anderen Entwicklungsbanken werden letztlich über Beiträge von den Industrieländern bezahlt. Großbritannien hält daran einen Anteil von zehn Prozent. Nach Schätzungen britischer Entwicklungsverbände würde dieser Erlass den britischen Steuerzahler 100 Millionen Pfund (147 Millionen Euro) an jährlich Schuldendiensten kosten.

Der Vorstoß jetzt kommt nicht von ungefähr: Am kommenden Wochenende beginnt die Herbsttagung von Weltbank und Internationalem Währungsfond in Washington. Vorab treffen sich die Finanzminister der G 7 – dort wird der Schuldenerlass Thema sein. Der BBC zufolge planen Frankreich und Kanada ähnliche Vorstöße. Damit stehen Deutschland, Japan und die USA unter Druck, dem Beispiel zu folgen.

Vor fünf Jahren wurde eine Schuldenerlass-Initiative für die 38 ärmsten, hoch verschuldeten Staaten (HIPC) beschlossen. Doch obwohl diese Initiative in diesem Jahr endet, haben erst 14 Staaten das Programm durchlaufen, berichtet Pedro Morazán vom entwicklungspolitischen Institut Südwind. „Das ist ein Armutszeugnis.“ Ein Großteil dieser Staaten sind Kaffeeexporteure, alle müssen Öl importieren. Da die Ölpreise sehr viel höher sind, als vor fünf Jahren erwartet, und die Kaffeepreise viel niedriger, geht es diesen Staaten viel schlechter, als von der Weltbank vorhergesagt. „Wenn das am Ende nur bei den 100 Millionen Pfund bleibt, ist das viel zu wenig“, kritisiert Morazán.

Zudem werden mit der HPIC-Initiative nur bilaterale Schulden erlassen, also solche, die direkt bei einem Industriestaat gemacht wurden. Doch viele Länder, wie etwa Honduras, haben den Großteil ihrer Schulden bei der Weltbank oder anderen Entwicklungsbanken (so genannte multilaterale Schulden). Noch immer müssen diese Länder rund 800 Millionen Dollar (650 Millionen Euro) jährlich für ihren Schuldendienst aufbringen. IWF und Weltbank erklärten selbst in ihren Fortschrittsberichten, dass die meisten armen Staaten trotz HIPC-Hilfen von ihren Schulden erdrückt werden. Sie schwoll inzwischen auf mehr als das Eineinhalbfache der jährlichen Exporteinnahmen an.

Der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen, Thilo Hoppe, begrüßte gegenüber der taz den britischen Plan. „Das kann ein Durchbruch werden“, urteilt der Grüne. „Deutschland und die anderen Länder sollten ernsthaft prüfen, ob sie schnell diesem Beispiel folgen können.“ Auch Hoppe ist der Meinung, dass es mit Schuldenerlass allein nicht getan sei. „Auch die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe sollten steigen.“

Derzeit ist Deutschland vom erklärten Ziel, 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung in Entwicklungshilfe zu stecken, noch weit entfernt. Bislang sind es gerade mal 0,28 Prozent – immer noch deutlich weniger, als die für 2006 als Zwischenschritt fest zugesagten 0,33 Prozent. Für dieses Jahr ist der Etat in Finanzminister Hans Eichels Haushalt eingefroren worden.

MATTHIAS URBACH