Karstadt verramscht Arbeitsplätze

Warenhauskonzern plant massiven Verkauf von Kaufhäusern und Tochterunternehmen. 30.000 Jobs nach Schätzungen von Ver.di durch Sanierungskonzept gefährdet. Gewerkschaften planen Widerstand. Betriebsratssitzungen für heute angekündigt

FRANKFURT/MAIN taz ■ Das hat Stil. Während bei dem angeschlagenen Handelsriesen KarstadtQuelle nach Berechnungen der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und des Gesamtbetriebsrates des Unternehmens bis zu 30.000 Arbeitsplätze zur Disposition stehen, werden zwei zusätzliche Vorstandsmitglieder „eingestellt“. Von vier auf sechs Mitglieder wurde der Vorstand der Konzernholding gestern erweitert. Die harten Sanierer kommen von außen. Der neue Finanzvorstand Harald Pinger von Messer Griesheim. Und der neue Personalvorstand Matthias Bellmann, der die „tiefen Einschnitte“ in den Personalkörper wird durchführen müssen, von Siemens. Keine Unternehmensbindung – keine Sentimentalitäten.

Doch leicht wird Bellmann die Umsetzung des Sanierungskonzepts des Vorstandes nicht gemacht werden. Die Gewerkschaft Ver.di und der Gesamtbetriebsrat von KarstadtQuelle haben gestern massiven Widerstand gegen die Sanierungspläne des Vorstandes angekündigt. In einer gemeinsamen Erklärung widersprachen die Arbeitnehmervertreter nachdrücklich der Darstellung von Konzernboss Christoph Achenbach, wonach die Belegschaft den Kurs der Konzernleitung und der Mehrheit der Aufsichtsräte mittragen würde. Den „historischen Solidarpakt“ (Achenbach) gebe es nicht.

Der Sanierungsplan, der die Zerschlagung großer Teile des Traditionsgeschäftes und die Schließung ganzer Kaufhäuser überall in Deutschland impliziere, sei eine von den Banken erzwungene Kahlschlagpolitik, die im Aufsichtsrat gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter durchgesetzt worden sei, heißt es in der Erklärung. Heute schon finden in den Kaufhäusern von Karstadt und in den Versandhäusern Quelle und Neckermann Betriebsversammlungen statt. Am 4. Oktober soll dann auf einer gemeinsamen Konferenz von Tarifkommission und Gesamtbetriebsrat beraten werden, wie die Beschäftigungsverhältnisse doch noch gesichert und die Tarifstandards erhalten werden könnten.

Betriebsräte einzelner Häuser befürchten jetzt, dass die Konzernleitung versuchen werde, die Belegschaften gegeneinander auszuspielen. Von jetzt 181 Warenhäusern seien nur noch 89 überlebensfähig, so der Konzernvorstand. Alleine in Berlin bei Karstadt würden 1.000 von insgesamt 6.000 Arbeitsplätzen auf dem Spiel stehen, glaubt Ver.di. Schon auf der Abschussliste stehen die Callcenter von KarstadtQuelle in Mainz und in Köln. Sie werden geschlossen. Und ganz schlechte Karten haben die Mitarbeiter der Unternehmen, die von Karstadt aktuell als „nicht zum Kerngeschäft“ gehörend gelistet werden. Aufatmen dagegen bei Thomas Cook. Der Reiseveranstalter gehört weiter zum Konzern.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

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