Kanther: Untreue hat Union bereichert

Im Wiesbadener Prozess gegen Kanther, Weyrauch und Wittgenstein versuchen die Staatsanwälte nachzuweisen, dass die Angeklagten der CDU geschadet haben. Diese bestreiten das, schließlich hätten sie das Parteivermögen verdoppelt

AUS WIESBADEN HEIDE PLATEN

Hat die CDU einen Schaden? Am fünften Verhandlungstag vor der Wiesbadener Wirtschaftsstrafkammer wollten die Staatsanwälte im Schwarzgeldprozess beweisen, dass die hessischen Christdemokraten durch die Untreue der Angeklagten Manfred Kanther, Horst Weyrauch und Prinz Casimir zu Wittgenstein materiell geschädigt wurden. Denn nur dann lässt sich der Vorwurf der Untreue belegen.

Fest steht: Die drei hatten 1983 umgerechnet etwa 10 Millionen Euro Parteivermögen in die Schweiz geschafft und in den Rechenschaftsberichten verschwiegen. Vor allem Manfred Kanther hatte immer wieder betont, dass das Geld der Partei dadurch nicht entzogen worden sei. Es sei regelmäßig zurückgeflossen, man habe es außerdem durch geschicktes Anlegen mehr als verdoppelt. Ergo: keine Untreue. Diese Rechnung geht nach einem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichtes jedoch nicht so einfach auf. Laut Karlsruhe hatte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse die falschen Rechenschaftsberichte als Verstoß gegen das Parteiengesetz zu Recht sanktioniert. Die Parteistrafe für den Landesverband beträgt 21 Millionen Euro. Heißt: materieller Schaden also Untreue. Bisher sieht es allerdings nach einem Nullsummenspiel aus: 20 Millionen Euro haben die Angeklagten für die CDU erwirtschaftet, ebenso viel muss die Partei Strafe zahlen.

Bis zu zehn Prozent ihrer Ausgaben deckte die hessische CDU mit dem Schweizer Geld, vor allem die Landesgeschäftsstelle sahnte ab. Große Summen wurden von Finanzberater Weyrauch aus der Schweiz geholt und flossen als Vermächtnisse umdeklariert in die Parteikassen zurück. Weyrauch räumte vergangene Woche ein, er habe schon damals gewusst, dass er „gegen seine Berufspflichten als Wirtschaftsprüfer verstoßen“ habe. Man habe allerdings nicht mit Sanktionen gerechnet, weil das 1984 geänderte Parteiengesetz nur die Deklaration von Spenden vorgeschrieben habe. Auch der ehemalige Generalsekretär und Parteivorsitzende Kanther gab zu, man habe „der Veröffentlichungspflicht ab 1984 nicht folgen“ wollen.

Sein damaliger Nachfolger Walter Wallmann humpelte, gestützt auf zwei Krücken, in den Zeugenstand. Der ehemalige hessische Ministerpräsident will nichts von den Geldverschiebungen gewusst haben. Wallmann lieferte eine Ehrenerklärung für die Angeklagten ab. Sie hätten „subjektiv immer nur das Beste für ihre Partei tun wollen“.

Die Staatsanwaltschaft insistierte darauf, dass nicht nur der Partei, sondern auch Wallmann geschadet worden sei. Schließlich habe er vor dem Landtagsuntersuchungsausschuss ausgesagt, seine eigene Wiederwahl als Ministerpräsident 1991 wäre vielleicht nicht gescheitert, wenn er von dem Geld gewusst hätte. Wallmann wiegelte ab. Vor dem Ausschuss habe er vermutet, das aber sei vor Gericht nicht zulässig: „Hier muss ich das beeiden können.“ Er halte die Geldtransfers natürlich dennoch „für einen Fehler“. Über die ursprüngliche Herkunft des 1983 verschobenen Geldes wisse er nichts.

Für kommenden Donnerstag ist der derzeitige Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Franz Josef Jung, geladen. Er war von 1987 bis Juni 1991 Generalsekretär der Partei und hatte immer wieder beteuert, auch er habe – ebenso wie Parteivorsitzender Roland Koch – nichts von dem Schwarzgeld gewusst. Kochs Wahlkämpfer hatten 1999 hatte dank einer Schweizer Finanzspritze keine Geldsorgen. Manfred Kanther hatte schon zum Prozessbeginn ausgesagt, der eine oder andere in der Wiesbadener Geschäftsstelle habe eventuell doch „eine Ressourcen-Ahnung“ gehabt.