Gaddafi sichert Festung Europa

Italien hat am Wochenende 500 Bootsflüchtlinge unmittelbar nach ihrer Ankunft nach Libyen abgeschoben. Bundesinnenminister Schilys Lagerpläne könnten damit bald überflüssig sein

ROM taz ■ Italien hat am Wochenende erstmals hunderte Bootsflüchtlinge unmittelbar nach ihrer Ankunft nach Libyen abgeschoben. Am Samstag starteten drei, am Sonntag zwei weitere Flüge mit insgesamt knapp 500 Zwangspassagieren von der Insel Lampedusa nach Tripolis. Angedeutet hatte Italiens Innenminister Giuseppe Pisanu die Pauschalabschiebungen schon am Freitag. Angesichts der neuesten Welle von Flüchtlingsbooten hatte er verkündet, den Flüchtlingen werde in Italien „humanitäre Behandlung“, dann aber sofort die „Repatriierung“ widerfahren.

Während die humanitäre Behandlung in einem Teller warmer Suppe besteht, kann von Repatriierung keine Rede sein. Nicht einmal die italienischen Behörden behaupten, dass die Boatpeople aus Libyen stammen. Auskünfte sind vom Innenministerium in Rom nicht zu erhalten; die Fernsehbilder aber sprechen für eine Herkunft der meisten aus Nordafrika, Eritrea und asiatischen Ländern.

Das Staatsfernsehen RAI zeigte in diesen Tagen außerdem Aufnahmen aus einem libyschen Flüchtlingslager. Schwer bewacht hielten sich dort hunderte Menschen in einem Hof auf, weil für sie nicht einmal Schlafstellen in den Baracken vorhanden sind.

Italiens Behörden können sich für die Einhaltung selbst minimaler Menschenrechtsstandards in Libyen natürlich nicht verbürgen. Dennoch kann Libyens Staatschef Gaddafi spätestens seit Samstag beanspruchen, zum von Italien engagierten Ausputzer in der EU-Flüchtlingspolitik geworden zu sein. Gaddafi honoriert mit seinem Verhalten die Tatsache, dass Italien sich massiv für die Aufhebung des Embargos gegen Libyen eingesetzt hat.

Sollte die jetzt praktizierte Lösung Bestand haben, würde sich eine weitere Diskussion des Vorhabens von Bundesinnenminister Otto Schily über die Einrichtung von EU-Flüchtlingslagern in Nordafrika vollkommen erübrigen. Der vorgebliche Flüchtlingsnotstand, der im letzten ebenso wie im laufenden Jahr in der Ankunft von je gerade einmal 10.000 Bootsflüchtlingen bestand, wäre ohne jede formale EU-Beteiligung per pauschaler Rücknahmeregelung an Libyen delegiert. Erfolgreich wäre den Flüchtlingen aber auch jede reale Möglichkeit verwehrt, in Europa politisches Asyl oder ein Bleiberecht aus humanitären Gründen zu beantragen. MICHAEL BRAUN

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