Kein Erlass für niemand

Auf der IWF-Tagung können sich die Industrieländer weder auf einen Schuldenerlass für die ärmsten Länder noch für den Irak einigen

AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK

Die sieben großen Industriestaaten (G 7) wollten keine Finanzmittel für einen Schuldenerlass für die ärmsten Entwicklungsländer bereitstellen. Damit ist die britische Initiative auf der Jahrestagung von Internationalem Währungsfond (IWF) und Weltbank fürs Erste gescheitert.

Der britische Finanzminister Gordon Brown hatte vorgeschlagen, zur Finanzierung eines Schuldenerlasses sollten die IWF-Goldreserven marktgerecht bewertet werden. Zudem forderte er seine Kollegen aus den reichen Ländern auf, den Schuldendienst der ärmsten Länder gegenüber den multilateralen Kreditgebern nach britischem Vorbild aus den eigenen Haushalten zu zahlen. Bundesfinanzminister Hans Eichel schloss dies jedoch kategorisch aus. Bei der derzeitigen Haushaltslage in Berlin sei aus Deutschland dazu kein Beitrag zu erwarten. Andere Industrieländer reagierten bislang nicht auf Browns Forderung.

Der Entwicklungsausschuss von IWF und Weltbank, in dem 24 Mitgliedsländer vertreten sind, forderte die reichen Länder am Samstag auf, zusätzliche Mittel für die Entwicklungsländer bereitzustellen. Nichtregierungsorganisationen lobten die Vorreiterrolle Großbritanniens und kritisierten die Blockadehaltung der restlichen Industrieländer.

Auch der Schuldenerlass für den Irak stand in Washington auf der Tagesordnung. Die USA drängen wichtige Kreditgeber, dem Irak seine Schuldenlast weitgehend abzunehmen. „Wir sind noch nicht auf einer Linie“, sagte Eichel jedoch nach Unterredungen mit seinem US-Amtskollegen John Snow. Zwar herrscht schon lange Einigkeit darüber, dass dem kriegszerstörten Land ein „substanzieller Schuldenerlass“ gewährt werden soll. Aber wie hoch dieser am Ende ausfallen werde, sei nach wie vor offen.

Die USA streben einen Erlass von 95 Prozent der auf 120 Milliarden Dollar geschätzten Auslandsschulden des Irak an. Deutschland und Frankreich wollen allenfalls 50 Prozent der Schulden erlassen. Sie fürchten, der Irak könnte sonst zum Präzedenzfall werden. Offenbar beharrte vor allem die französische Regierung darauf, dass das Ölland Irak keine großzügigeren Konditionen erhält als die ärmsten Schuldnerländer. Die G 7 setzte sich in ihrer Abschlusserklärung das Ziel, bis Jahresende eine Rahmenvereinbarung über die Verringerung der irakischen Schulden zu treffen.

Auf der Tagung wurde auch die Sorge geäußert, dass der hohe Ölpreis das Wirtschaftswachstum mittelfristig abwürgen könne. Der IWF sprach sich für eine stärkere Ölförderung aus. Zudem forderten die G-7-Staaten die größten Verbraucherländer USA und China auf, ihre Energieeffizienz zu steigern. Der britische Vorschlag, eine Abkehr vom Öl und den Ausbau erneuerbarer Energiequellen zu fördern, tauchte allerdings in der G-7-Erklärung nicht mehr auf. Finanzminister Brown kündigte aber an, den Klimaschutz zu einem zentralen Thema der britischen G-7-Präsidentschaft im kommenden Jahr zu machen.

Doch trotz des hohen Ölpreises befindet sich die Weltwirtschaft nach Einschätzung des IWF derzeit in der besten Verfassung seit fast drei Jahrzehnten. Der Fonds sieht jedoch eine andere Bedrohung für die Weltkonjunktur: die Rekorddefizite in der Handelsbilanz und im Staatshaushalt der USA sowie eine drohende Überhitzung der boomenden chinesischen Wirtschaft. Das weltweite Wirtschaftswachstum, das in diesem Jahr noch bei 5 Prozent liegen werde, dürfte sich im nächsten Jahr auf 4,3 Prozent abkühlen.

Demonstrationen anlässlich der Tagung von IWF und Weltbank blieben diesmal in Washington aus. Beobachter führen dies darauf zurück, dass Wahlkampf und Irakkrieg die Kräfte der Protestbewegungen in den USA weitgehend in Anspruch nehmen.

meinung und diskussion SEITE 11