Jagd auf furzender Hering

Die schwedische Marine fühlte sich lange von fremden U-Booten bedroht. Tatsächlich waren es Heringsschwärme

Die schwedische Marine hatte so sehr darauf gehofft, dass über die Geschichte mittlerweile endgültig Gras gewachsen wäre. In den Achtzigerjahren jagte sie regelmäßig feindliche U-Boote. Und konnte sie nie erwischen. ZweiflerInnen konnte sie mit Sonargeräuschen überzeugen, aus denen sich sogar der U-Boot-Typ heraushören ließ. „Jedes hat nämlich ein unverwechselbares Maschinengeräusch“, berichtete ein Abhörexperte damals stolz. Und spielte einer schwer beeindruckten JournalistInnenschar eine kurze, blechern klingende Sequenz vor.

Diese Geräusche hörten zufällig auch zwei Meeresbiologen. Sie hatten da so eine Vermutung. Durften die Bänder mit den U-Boot-Geräuschen in aller Ruhe analysieren. Und schrieben dann einen Bericht. Danach jagte die Marine keine fremden U-Boote mehr. 1993 war das, und der Bericht von Magnus Wahlberg und Håkan Westerberg wurde „Geheim!“ gestempelt und weggesperrt. Doch irgendwann musste die Marine gestehen: Die gejagten Geräusche waren Heringsschwärme.

Im vergangenen Jahr durften Wahlberg und Westerberg ihre Studie offiziell veröffentlichen. Nun erfuhr eine interessierte Fachöffentlichkeit, welche Laute das genau waren, mit denen der „Clupea harengus“ die schwedische Marine genarrt hatte. Der gemeine Ostseehering hatte – gefurzt. Eine Blase, mit welcher er fein abgestimmt Luft durch die Afteröffnung entweichen lässt, hatte das erzeugt, was man für U-Boot-Geräusche gehalten hatte. Und für diese ihre Entdeckung erhielten die beiden am Donnerstag letzter Woche den „skurrilen Nobelpreis“, den „Ig-Noble“.

1991 war der Preis von Marc Abrahams, Chefredakteur des satirischen Wissenschaftsmagazins Annals of Improbable Research gegründet worden, um unsinnige Forschungsarbeiten zu ehren. Oder solche, die es auf den ersten Blick sind. Zum Beispiel dem Studium furzender Heringe. Wahlberg und Westerberg scheinen mit ihrer speziellen Vorliebe keineswegs allein zu stehen. Eine kurze Internetsuche fördert gleich eine Handvoll einschlägiger Studien mit lyrischen Titeln wie „Herring and their mysterious farting sounds“, „It's windy under the sea“ oder „Farting Fish Keep in Touch“ zutage. Man erfährt, dass die Anus-Geräusche offenbar der Kommunikation dienen, vor allem abends gefurzt wird und das Ganze für die Fischindustrie interessant sein könnte. Ein Ben Wilson kann sogar mit einem wav-file – http://www.zoology.ubc.ca/~bwilson/herring.html – eines leibhaften Hering-Furzes dienen.

Wahlberg/Westerberg als Gewinner des diesjährigen Biologie-„Ig-Noble“ haben jedenfalls mit ihrer Arbeit nicht nur „erst zum Lachen, dann zum Denken angeregt“ (Marc Abrahams), sondern den schwedischen SteuerzahlerInnen erspart, noch viele Millionen in eine überflüssige U-Boot-Abwehr zu versenken. Die Arschkarte bei dieser Anus-Blamage hat die Marine gezogen, für die es seit den Herings-Fürzen nur noch bergab ging. Gnadenlos wurde ihr Budget zusammengekürzt und im Laufe der Jahre eine Marinebasis nach der anderen dichtgemacht.

REINHARD WOLFF

Ig-Noble-Webseite (mit Infos über andere PreisträgerInnen): http://www.improb.com/ig/