Der Friedenszug von Südsudan

Deutsche bauen eine Bahnlinie von Südsudan nach Kenia und sorgen damit für einen Wirtschaftsboom. Doch die politischen Voraussetzungen sind noch nicht geklärt. Heute beginnt die nächste Runde der Gespräche zwischen Regierung und Rebellen

VON DOMINIC JOHNSON

Es wäre die größte deutsche Einzelinvestition in Afrika und zugleich ein Infrastrukturprojekt von immensem Symbolwert: Ein Netz von Eisenbahnlinien, das Südsudan mit den südlichen Nachbarn Kenia und Uganda verbindet. 3 Milliarden Euro soll das Projekt kosten, das die südsudanesische Rebellenbewegung SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) im September mit dem deutschen Eisenbahnbauunternehmen „Thormählen Schweißtechnik“ ausgehandelt hat. „Die SPLM/A als zukünftige Regierung des Südsudan erteilt der Thormählen-Gruppe den Auftrag zum Bau und Betrieb einer 4.100 Kilometer langen Strecke“, freute sich das Bad Oldesloer Unternehmen Ende September in einer Pressemitteilung.

Zwanzig Jahre lang hat die SPLA (SPLM ist der Name des politischen Flügels der Rebellenbewegung) für die Unabhängigkeit des Südsudan von der Zentralregierung in Khartum gekämpft – ein Krieg, der 2 Millionen Tote und weitere 2 Millionen Vertriebene produziert hat. Seit einem Waffenstillstand im Juli 2002 haben die beiden Seiten eine Reihe von Friedensabkommen unterzeichnet. Sechs Jahre lang soll der Südsudan demnach unter SPLA-Führung Autonomie erhalten, bevor es ein Unabhängigkeitsreferendum gibt. Zugleich wird SPLA-Führer John Garang Vizepräsident des Sudan insgesamt. Das alles tritt in Kraft, sobald ein umfassender Friedensvertrag unterzeichnet ist. Morgen soll dazu ein neuer Anlauf bei Gesprächen in Kenia beginnen.

Doch jetzt schon schafft die SPLA, die weite Teile Südsudans ohnehin kontrolliert, Fakten. Südsudan ist kulturell und geografisch Uganda und Kenia viel näher als dem Norden des Landes. Aber zu erreichen sind die Nachbarländer, aus denen alle im Südsudan verbrauchten Hilfs- und Konsumgüter kommen, bisher nur auf dem Luftweg. Das soll sich nun ändern. Eine Bahnlinie soll von Südsudans zukünftiger Hauptstadt Juba nach Lokichokio führen, dem riesigen Zentrum der UN-Hilfsaktionen für Südsudan in Kenia an der sudanesischen Grenze, und von dort über Nakuru und Nairobi Anschluss an Kenias Eisenbahnnetz finden, das zugleich modernisiert und ausgebaut werden soll. Zwei weitere von Südsudan nach Uganda sind ebenfalls Teil des Pakets.

Thormählen, das unter anderem in Deutschland die neue ICE-Strecke von Frankfurt nach Köln gebaut hat, ist vor Ort bestens eingeführt. Costello Garang, „Außenminister“ der SPLA, ist mit Firmenchef Klaus Thormählen befreundet. Kenias Planminister Peter Anyang Nyongo besuchte den Firmensitz in Bad Oldesloe kürzlich zusammen mit Transportminister Raila Odinga – einer der wichtigsten Politiker Kenias. Dass neben der Linie nach Kenia auch mehrere nach Uganda geplant sind, liegt an heftigem Druck aus Uganda, nicht abgehängt zu werden – Uganda ist ebenso wie Südsudan für Im- und Exporte von Rohstoffen auf Kenias Ozeanhafen Mombasa angewiesen.

Mombasas Hafen ist das Nadelöhr der gesamten Region. Sämtliches Benzin, das in Kenia, Uganda, Ruanda, Burundi, Südsudan und Ostkongo verbraucht wird, kommt über Mombasa nach Ostafrika, und die Straßen- und Bahnverbindungen aus Mombasa sind die Lebenslinie der Region. Ihr Ausbau ist unerlässlich, wenn das Afrika der Großen Seen sich nach Jahrzehnten von Krieg und Instabilität wirtschaftlich erholen soll und auch Kenia und Uganda mit ihren schnell wachsenden Bevölkerungen sich entwickeln wollen.

Gerade daher ist die Ausweitung der ostafrikanischen Verkehrsnetze auf Südsudan so interessant. Denn im Südsudan gibt es Öl. Wenn einmal Züge dort fahren, muss das Rohöl nicht mehr komplett über Pipelines nach Norden in den Hafen Port Sudan am Roten Meer zum Export fließen, sondern könnte nach Süden Richtung Kenia gebracht werden, wo auch eine Raffinerie gebaut werden soll, um Benzin herstellen zu können. Südsudans Öl könnte somit vor Ort in Afrika verwendet werden, was erhebliche ökonomische Vorteile für die Region mit sich brächte. Befürchtungen, damit würde Südsudan effektiv vom Rest des Sudan noch weiter abgekoppelt und eine mögliche Unabhängigkeit bereits vorweggenommen, sind unbegründet: Die Öleinnahmen des Landes werden laut den bereits ausgehandelten Teilabkommen ohnehin 50:50 zwischen Zentral- und Autonomieregierung aufgeteilt, egal ob Sudan sein Öl nach Norden oder Süden exportiert.

Nun müssen nur noch die politischen Fragen geklärt werden. Das ist wohl der schwierigste Teil der Geschichte. Die Autonomieregierung für Südsudan gibt es erst nach einem endgültigen Friedensschluss, und nach Meinung aller Seiten wird es diesen erst geben, wenn auch Sudans andere Kriegsfront in Darfur beruhigt ist. Davon ist aber derzeit keine Rede. Darfurs Rebellen, mindestens moralisch von der SPLA unterstützt, fordern für den Westen Sudans eine ähnliche Autonomielösung wie für den Süden. Die Regierung will die Autonomie für den Süden jedoch als einmalige Ausnahme verstanden wissen und geht daher um so härter gegen die Rebellen Darfurs vor. Trotz UN-Appellen nehmen derzeit Milizenangriffe und Fluchtbewegungen in Darfur wieder zu. Und SPLA-Führer John Garang warnte letzte Woche vor einer unerwarteten Konsequenz der von der Regierung versprochenen Demobilisierung der regierungstreuen Janjaweed-Milizen Darfurs: Einige Milizen seien nach Südsudan verlegt worden.