Flughafenodyssee

Ein erschreckend braver Film, den man in seinen schlechtesten Momenten schon einmal gesehen zu haben glaubt: Steven Spielbergs „Terminal“

In den schlechtesten Augenblicken meint man, Steven Spielbergs neuen Film „The Terminal“ schon einmal gesehen zu haben. Der deutsche Regisseur Veit Helmer ließ sich vor einem Jahr zu der Flughafenschmonzette „Tor zum Himmel“ hinreißen. Ein russischer Kriegsdienstverweigerer floh aus dem Abschiebeknast des Frankfurter Flughafens, verliebte sich in eine Putzfrau aus Indien, und mit Hilfe des stets fidelen, multikulturellen Bodenpersonals kam es zu bollywoodesken Tanzeinlagen auf der Abflugbahn und einer durch und durch glücklichen Familienzusammenführung.

Steven Spielberg hat für „The Terminal“ ein ähnliches Personal und einen ähnlichen Plot entwickelt. Nur ist sein Protagonist, der von Tom Hanks verkörperte Viktor Navorski aus dem fiktiven osteuropäischen Land Krakozhia, kein Flüchtling, sondern ein Tourist. Dummerweise ereignet sich in seiner Heimat ein Putsch, während er den Atlantik überquert. Da die USA die neue Regierung und diese die alten Pässe nicht anerkennt, steht Navorski staatenlos am Einreiseschalter des J.F.K.-Flughafens. „Unacceptable“, darf Navorski in der Folge weder ein- noch ausreisen. Die Abflughalle, das titelgebende Terminal mit seinen Glasfronten, seinen Duty-Free-Shops und Fast-Food-Restaurants – für andere Durchgangsstation – muss ihm zur neuen Heimat werden.

Nun ist Navorski so wenig auf den Kopf gefallen, wie Spielberg Interesse daran hätte, das Beklemmende der Situation hervorzukehren. Im Gegenteil: „The Terminal“ funktioniert wie ein Schelmenroman. So pfiffig, wie sich der Held anstellt, so wünschte sich wohl jeder Innenminister den Einwanderer. Er kann kein Englisch? Er lernt es, indem er seinen krakozhianischen New-York-Reiseführer mit dem englischsprachigen Pendant abgleicht. Er hat kein Geld? Er besorgt es sich, indem er Pfandmünzen sammelt. Er hat Hunger? Er kommt zu seinen Mahlzeiten, indem er Botendienste für einen Angestellten der Flughafenkantine verrichtet.

So nähme alles seinen heiteren Lauf, bräuchte der Plot nicht doch das Unheil, um sich zu entwickeln. Bei Spielberg darf dieses Unheil auf keinen Fall dem bürokratischen System innewohnen, sondern muss sich an eine Figur knüpfen: an den Beamten Frank Dixon (Stanley Dixon), den Chef der Homeland Security. Gegen ihn tritt Navorski an wie David gegen Goliath. Dabei macht sich Dixon, je größer sein Bedürfnis wird, alles zu kontrollieren, umso angreifbarer. In einer Schlüsselszene sitzt er unterhalb einer Vielzahl von Überwachungsbildschirmen. „The Terminal“ wandelt hier die „Monarch of all I survey“-Szene ab, die als Trope in der kolonialen Literatur so wichtig ist. Der Eroberer steigt auf den Berg, und alles, was er vom Gipfel aus übersieht, unterliegt seiner Macht. Dixon sieht von unten zu den Bildschirmen empor und wähnt sich als Herrscher über all das, was er beobachtet. Doch er ist machtlos: Weil er so weit weg von den Geschehnissen ist, kann er nicht eingreifen; und weil er als Mächtiger einsam ist, kann er Navorski, der sich mit anderen zu verbünden weiß, nicht daran hindern, den entscheidenden Schritt in die Freiheit zu tun.

Nachdem „The Terminal“ das Filmfestival von Venedig eröffnet hatte, wollte sich Spielberg bei der Pressekonferenz mit Jacques Tati in Verbindung bringen. Doch während der französische Regisseur den Aberwitz des modernen Lebens in Szene setzte, will Spielberg vom Glauben an das Gute im Menschen in keinem Augenblick lassen. Und deswegen ist „The Terminal“ ein erschreckend braver Film geworden. CRISTINA NORD

„The Terminal“, Regie: Steven Spielberg. Mit Tom Hanks, Catherine Zeta-Jones u. a., USA 2004, 129 Min.