Geld für die Welt

Die Berlinale und die Bundeskulturstiftung haben ein Förderinstrument gegründet: den World Cinema Fund

Wer das Glück hat, internationale Filmfestivals zu besuchen, kennt und liebt solche Filme: Sie kommen aus Thailand, aus Palästina oder aus dem chinesischen Underground; sie sind das Gegenteil von Folklore, meist klein in Aufwand und Budget, aber groß in dem, was sie dem Kino als Kunstform geben. Leider finden sie selten den Weg in deutsche Kinos, und manchmal muss man den Namen des Regisseurs oder der Regisseurin eine Weile einüben, bis man ihn über die Lippen bringt. Die Rede ist von Filmen wie „Blissfully Yours“ und „Tropical Malady“, den tropisch-hypnotischen Dekonstruktionsarbeiten des thailändischen Regisseurs Apichatpong Weerasethakul, von Jia Zhangkes nordchinesischer Nouvelle-Vague-Variation „Unknown Pleasures“ oder von Elia Suleimans bitterer Komödie „Göttliche Intervention“. Oder auch vom nuevo cine argentino, jenem neuen, entschlackten Filmschaffen, das sich im Verlauf der letzten Jahre der Wirtschaftskrise zum Trotz in Argentinien entwickelt hat.

Entstehen können diese Filme nicht nur wegen des Engagements ihrer Macher, sondern auch, weil es in Schweden, Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz eine besondere Form von Fördergremium gibt: Fonds, die die Produktion von Filmen in Lateinamerika, Osteuropa, Asien und Afrika unterstützen, indem sie Koproduktionen anregen und kofinanzieren. Und während gewöhnliche Koproduktionen oft verlangen, dass ein Teil des investierten Geldes im Geberland ausgegeben wird, bleiben die Gelder, die etwa der Rotterdamer Hubert Bals Fund zur Verfügung stellt, im Produktionsland. Die Entscheidungshoheit über technische und ästhetische Fragen liegt demnach bei den Filmemachern, nicht bei den europäischen Koproduzenten.

Als Dieter Kosslick 2001 die Leitung der Berlinale übernahm, trug er sich mit dem Gedanken, ein deutsches Pendant zu diesen Förderfonds einzurichten. Es sollte jedoch noch drei Jahre dauern, bis die Bundeskulturstiftung das nötige Geld zur Verfügung stellen konnte. Eine Anschubfinanzierung von 1,5 Millionen Euro für die ersten drei Jahre ist nun gesichert, der World Cinema Fund ins Leben gerufen, Vincenzo Bugno und Sonja Mörkens sind als Fund Advisor respektive Fund Manager gewonnen. Die erste Ausschreibung läuft – interessierte Produzenten können bis zum 27. Oktober um Förderung ansuchen. „Wir hoffen“, sagte Mörkens bei der Pressekonferenz am Dienstag in Berlin, „schon Ende November erste Entscheidungen treffen zu können.“ In Frage kommen Produktionen „nicht aus der ganzen Welt“, wie Bugno sagte, sondern aus den Schwerpunktregionen Lateinamerika, Afrika, Zentralasien und dem Nahen und Mittleren Osten. Die Auswahl, so Bugno, „war eine sehr wichtige und pragmatische Entscheidung“.

Damit in Zukunft nicht nur Festivalbesucher das Privileg haben, die entsprechenden Filme zu sehen, soll sich die Arbeit des World Cinema Funds nicht allein auf die Produktion, sondern auch auf den Verleih erstrecken. „Filme aus Lateinamerika und den arabischen Ländern müssen auch in den Kinos, nicht nur auf den Festivals zu sehen sein“, sagte Hortensia Völckers, die Leiterin der Bundeskulturstiftung. Mit maximal 15.000 Euro pro Film – genug für die Untertitelung und zwei Kopien – soll gewährleistet werden, dass die Filme ihr Publikum finden. In einer Kinolandschaft, die zwar Woche für Woche mit mehr Filmstarts aufwartet, aber verarmt, insofern sie neben den großen und mittelgroßen Produktionen aus Hollywood fast nur noch staubiges Arthouse-Kino zulässt, ist das ein wichtiges Zeichen.

CRISTINA NORD