Die Farben der Dollarnote

Auf die Rolle des biederen Verlierers abonniert ist der Schauspieler Philip Seymour Hoffman. In Richard Kwietniowskis „Owning Mahowny“ gibt er die Hauptfigur, den Spieler Dan Mahowny

VON DIETMAR KAMMERER

Am Ende von Cameron Crowes Film „Almost Famous“ klärt Philip Seymour Hoffman in der Rolle des Legende gewordenen Musikkritikers Lester Bangs den jugendlichen Ich-Erzähler und Kritiker-Aspiranten über die wahren Verteilungsverhältnisse von Glamour, Sex und Kunstproduktion im Pop-Universum auf. „Schreiber sind uncool! Wir werden nie die tollen Frauen abkriegen! Aber genau darum geht es in großer Kunst. Schönlinge haben kein Rückgrat. Ihre Kunst verfällt! Sie bekommen vielleicht die Mädchen, aber wir haben mehr auf dem Kasten.“

Das schmeichelt nicht nur Filmkritikern, das könnte als Handlungsmaxime auch für die Rollenwahl Hoffmans gelten. Der „sympathischste Unsympath“, so die Kollegin Barbara Schweizerhof, den das amerikanische Kino zurzeit zu bieten hat, ist einer der Schauspieler, die vor allem in Nebenrollen, als Kontrast, Korrektiv oder ärgerliches Hindernis für die zentrale Figur ihre ganze Wirkung entfalten können. Ein Star des Independent-Kinos, mit sicherem Abonnement auf die Rolle des dicklichen Versagers, wie in Todd Solondz' „Happiness“, P. T. Andersons „Punch-Drunk Love“ oder Spike Lees „25th Hour“. Kein Verlierertyp im großen Sinne, sondern die personifizierte Biederkeit, hinter deren Maske keine Abgründe drohen, sondern blanke Leere.

Der Regisseur Richard Kwietniowski muss sofort an Hoffman gedacht haben, als er über die Besetzung der Hauptrolle von „Owning Mahowny“ entschied. Der Film erzählt die wahre Geschichte eines Bankbetrügers im Nadelstreifenanzug: Dan Mahowny war leitender Angestellter einer Bank in Toronto. Bevor man ihn 1982 verhaftete, hatte er das Finanzinstitut mit gefälschten Kundenkrediten um mehr als zehn Millionen Dollar erleichtert. Das Geld war da bereits ausgegeben: nicht für teure Autos, sondern in Wettbüros und an den Spieltischen der Casinos. Gegenüber der Polizei gab Mahowny an, dass seit seinem zwölften Lebensjahr keine 72 Stunden vergangen seien, ohne dass er eine Wette abgeschlossen hätte. Im Film treibt er durch diese Spielsucht sogar seinen Buchmacher Frank (Maury Chaykin) in die Verzweiflung, der einem Kompagnon erklärt: „Weißt du, warum er gewinnen will? Damit er ausreichend Geld hat, um es immer wieder verlieren zu können. Wie krank ist das eigentlich?“

Verlieren als Lebensinhalt. Unter seinen Kollegen gilt Mahowny als Arbeitstier, unauffällig und geschickt im Umgang mit schwierigen Kunden. Sein Anzug beult etwas aus, sein Scheitel ist korrekt, die Brille viel zu groß, der Schnurrbart verleiht ihm Vertrauenswürdigkeit. Selbst bei einer Routineüberprüfung wird niemand misstrauisch, wenn die Kunden, denen Mahowny angeblich Millionenkredite vermittelt, nicht einmal eine Adresse angegeben haben. Am Spieltisch wirkt er wie hypnotisiert, unbewegt, Schweißperlen stehen auf seiner Stirn.

Als er entdeckt, was für ein Goldesel ihm da in die Hände gefallen ist, will der kaltschnäuzige Leiter des Casinos (John Hurt) ihn mit Prostituierten, Konzertkarten, Luxussuites, Drogen an sich binden. Das erweist sich als unnötig. Mahowny kommt nicht wegen des Glamours immer wieder, er kommt, weil er gar nicht anders kann. Er ist ein Besessener, er wird von allen besessen, doch mehr als das Casino, sein Buchmacher oder seine Vorgesetzten bei der Bank hat ihn die Spielsucht fest im Griff. „Ich habe keine Ahnung, wer dieser Mann ist. Und ich will es nicht wissen“, ruft John Hurt aus, der sich von seinem einträglichsten Kunden zunehmend fasziniert zeigt. Er ist der reine Trieb, einer, der erst aufsteht, wenn es keine Chips mehr gibt, die er verlieren könnte.

Ausgewaschenes Grün und Grau durchziehen die Bilder, Kwietniowski inszeniert den Film nach dem Farbschema der Dollarnote. Das Casino und das Kreditinstitut sind zwei komplementäre Welten, die Räume sind geschlossen, damit man sie besser überwachen kann, und über Geld wird am allerwenigsten geredet. Am Ende gewinnt immer die Bank, das heißt derjenige, der sein Gegenüber glauben machen kann, dass sein Einsatz ihm eine Chance auf Gewinn einbringen würde. Mahowny ist der Kurzschluss dieser beiden Systeme, weil er weiß, dass er nie gewinnen konnte.