Länderchefs verärgert über Polterer Wulff

Durch Niedersachsens Radikalkurs sehen die Ministerpräsidenten ihre Taktik bei der Föderalismusreform durchkreuzt. Einigung auf neue Regeln für den Bundesstaat in weiter Ferne. Schröder warnt schon vor dem Weg zum Staatenbund

BERLIN taz ■ So viel Ärger war selten bei den Landesfürsten. Noch bevor die Ministerpräsidenten der Länder sich gestern in Berlin trafen, fielen bereits böse Bemerkungen über den Niedersachsen Christian Wulff (CDU). Eine Frage mangelnden Stils nannte es etwa der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), dass Wulff just zwei Tage vor dem Treffen mit seinem Ausstieg aus der Kultusministerkonferenz (KMK) föderalistisches Porzellan zerschlug und seinen Kollegen den Scherbenhaufen vor die Füße kippte.

„Das ist ein einmaliger Vorgang“, sagte Wowereit. Der forsche Niedersachse habe vor der Aufkündigung des KMK-Vertrages erst mal seine Kollegen informieren sollen, die gestern immerhin ihre Jahrestagung begannen.

Selten stand ein Treffen der Ministerpräsidenten so sehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Die 16 Politiker müssen sich nicht nur mit Wulffs KMK-Kündigung und seiner Forderung nach einem Stopp der Rechtschreibreform beschäftigen – sie nehmen obendrein Berichte über völlig blockierte Gespräche in der Föderalismuskommission entgegen. Die Kommission soll unter dem Vorsitz von SPD-Fraktionschef Franz Müntefering (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) die Zuständigkeiten von Bund und Ländern entflechten.

Auch bei der vermeintlichen Entflechtung stehen die Ministerpräsidenten aber vor nichts als Scherben. Und das hat erneut mit dem gut gescheitelten Föderalismus-Polterer Wulff aus Niedersachsen zu tun.

Christian Wulff hat mit der Kündigung des Abkommens über das Sekretariat der Kultusminister die Argumentation der Länder in der Föderalismuskommission zunichte gemacht. „Das passt überhaupt nicht ins Bild“, sagte der Vertreter einer Staatskanzlei verärgert zur taz. Während Wulff nämlich über die Ineffizienz und Langsamkeit der Kultuskonferenz spottet, preisen seine Kollegen in der Föderalismuskommission die brillante und tolle Koordination genau dieser Konferenz.

In einem internen Papier heißt es, die Länder bemühten sich, „das Bildungswesen durchgreifend zu modernisieren“. Sie schafften dies auch ohne den Bund ganz hervorragend, weil sie „in gemeinsamer Verantwortung und Koordinierung eine umfassende Fortentwicklung auf den Weg gebracht“ hätten. Durch verbindliche Vereinbarungen verbesserten sie weiterhin die bundesweite Vergleichbarkeit, heißt es in dem Papier, das der taz vorliegt.

Freilich kichert man nicht nur in der Bildungsszene über diese Anmaßung. Ohne das Geld und den Druck des Bundes etwa bei den Ganztagsschulen oder den Bildungsstandards wäre die Beschleunigung der KMK deutlich gemäßigter ausgefallen. Gewitzelt wird aber auch, weil ausgerechnet ein gewisser Reinhard Hoffmann mit großer Pose auf „umfassende Länderkompetenzen für Bildung, Schule und Hochschule“ pocht. Hoffmann ist Chef der Senatskanzlei in Bremen – dem notorisch bankrotten Stadtstaat, den es ohne die Zuschüsse des Bundes gar nicht mehr gäbe.

Im Detail liegt sich die Föderalismuskommission bei der Bildungsplanung, den Hochschulen, beim Personal sowie bei der Kinder- und Jugendhilfe in den Haaren. Auch auf anderen Feldern sind die Gegenleistungen massiv, welche die Länder dafür einklagen, dass der Bund viele Gesetze künftig ohne den Bundesrat verabschieden kann. So wollen gerade die großen Länder wie Bayern, Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen mehr Steuerautonomie. Der Bundeskanzler hatte ihnen deshalb vorgeworfen, sie wollten aus dem Bundesstaat einen bloßen Staatenbund machen.

CHRISTIAN FÜLLER