Prêt-à-porter
: Integration ins Gesamtbild: Der Dresscode der Fotografen

Nicole Kidman nimmt Platz, schwarzweißer Tumult auf rotem Grund, Paparazzi de luxe. Deshalb also der Dresscode

Ein paar Tage vor der Schau kam das „Paparazzi.jpg“. Karl Lagerfeld habe bei der Konzeption des Laufsteges für Chanel die Fotografen „ins Gesamtbild integriert“. Man bitte daher um weißes Hemd und schwarze Hose und Jacke. Voilà. „Veramente idiotissime“, sagt ein italienischer Fotograf und schnallt die Holzkiste mit der Fotoausrüstung auf seiner Vespa fest. „They never give us any perfume!“ Und jetzt auch noch Vorschriften. Er werde normal erscheinen. Man werde ja sehen.

Es gibt, das zum Verständnis, eine veritable Diskrepanz zwischen den Bildern des Prêt-à-porter und denen, die sie machen. Unglamouröser als der Schauenfotograf ist nur, wie man mit ihm verfährt. Stehe nicht, meint der Kollege auf der Fahrt durch Paris, das Publikum der Schauen für Kultur, also Verfeinerung, die Fotografen hingegen für Natur? Er hat in der Tat in der Dreiweltenteilung der Schauen – Presse, Einkäufer, Fotografen – die schlechtesten Karten. Wer Einkäufer schlecht behandelt, hat keine Einkäufer. Journalisten rächen sich mit guten Verrissen. Aber der Schauenfotograf? Er erduldet. Seine kleine Subversion ist das Geräusch.

Wer musste bei Dries van Noten eine Stunde in Positur hinter dem Vorhang warten, während der Rest speisen durfte? Plötzlich hörte man es singen: der Fotografenchor. Zum klassischen Schauenvokabular zählen „Hohoho“, „Anfangen!“, „Kssss“, „Model, nicht wenden!“, „Oeeh, très sexy!“. Setzt die Musik aus, hört man nur mehr das Zischeln der Knipser.

Und was ist zu sehen in dem Defilee bei Chanel? In der Mehrzahl schwarzweiße Fotografen. Hübsch setzten sie sich gegen den roten Teppich des Laufstegs ab. Dann nimmt Nicole Kidman Platz, Hauptperson der ersten Reihe und „das Gesicht“ des neuen Werbefilms für Chanel No. 5. Schwarzweißer Tumult auf rotem Grund, Paparazzi de luxe. Deshalb also der Dresscode. In den Kleidern viele ehemalige Supermodels. Da war viel pastelliger Tweed zu hohen Riemenschuhen. Überdimensionaler schwarzweißer Hahnentritt, von farbigen Fäden durchzogen. Lederhandschuhe gab es, oder mehr: ein Rudiment, das die Finger bedeckte und dann knapp die Knöchel. Graue Jerseystulpen verloren den Halt des Tunnelzugs und sammelten sich in der Knöchelgegend. Die Kette mit der Filmklappe, „Coco Movie Nr. 5“. Das CC überall, auf Blusen und Taschen, auf der Schlafbrille und der aufblasbaren Nackenstütze.

Phoebe Philos Entwürfe für Chloé hingegen schwebten ganz leicht heran. Schmiegsame Seide, Schulterfreies von fließender Eleganz. Tief gezogene Taillen erinnerten an die Zwanzigerjahre, das gekonnt Plissierte und Geraffte in blassem Seegrasgrün, goldschimmerndem Beige und Puderrosa an das Abendkleid dieser Zeit. Was über den Laufsteg schritt, war tagestauglich zugleich. Die cognacfarbene Seidenbluse spielt sich an den Körper heran. Schwarze Biesen zeichnen die Knopfleiste nach; dazu aus braunem, feinem Tweed eine dieser großartigen, wie geborgt erscheinenden Herrenhosen.

Christian Lacroix ließ sein Defilee ganz in Weiß beginnen. Umso wirkungsvoller folgten darauf die gewohnt provencalischen Farben. In dieser Saison waren sie von der Sonne gebleicht. Am wirkungsvollsten wurden sie in den reichen Drucken der langen Seidenroben, an deren seitlichem Schlitz Volants herabfielen. Als einer der wenigen zeigte Lacroix auch einige Herren. Die dürfen sich über den Winter an den Gedanken strassbesetzter Slipper gewöhnen. Und am Revers oder dem breiten Binder trägt man einfarbige zitronengelbe Badges, groß wie eine Säuglingshand. Die Damen hingegen tragen vorn seitlich den Zopf, seitlich hinten den Knoten. So gehen die Lady und das Mädchen Hand in Hand.

KATRIN KRUSE