Preismodell von gestern

Gegen eine überhöhte Gaspreiserhöhung kann man sich wehren, sagt die Verbraucherzentrale und bietet im Internet einen Musterbrief dazu an

„Weil der Kunde nicht zu einem anderen Versorger wechseln kann, unterliegt die einseitige Preisfestsetzung der Kontrolle durch die Gerichte“

Die Verbraucherzentrale Hamburg hat die Kunden der Gasversorger aufgerufen, die seit dem 1. Oktober geltenden Preiserhöhungen nur zum Teil zu bezahlen. Die Verbraucherschützer haben dazu einen Musterbrief ins Internet gestellt (www.vzhh.de). Unter Verweis auf den Bund der Energieverbraucher argumentieren sie, die Aufschläge seien nicht zu rechtfertigen, weil sie nicht mit einer entsprechenden Erhöhung der Einkaufspreise für Gas korrespondierten. Die Gasversorger missbrauchten ihr Gebietsmonopol, um überhöhte Preise zu verlangen. Die Kunden könnten sich getrost dagegen wehren, versichert Günther Hörmann von der Verbraucherzentrale. Sie müssten nicht fürchten, dass ihnen der Gashahn zugedreht würde.

Von der zehnprozentigen Gaspreis-Erhöhung der E.on Hanse zum 1. Oktober seien allenfalls zwei Prozentpunkte zu rechtfertigen. Den Rest sollten die Kunden nach Ansicht der Verbraucherzentrale einbehalten. Dafür, dass der geforderte Preis überhöht ist, sprechen nach Ansicht des Bundes der Energieverbraucher mehrere Gründe: Die Preise für den Einkauf von Erdgas aus dem Ausland seien zwischen Juni 2003 und Juni 2004 um 6,4 Prozent gesunken. Mit der Preiserhöhung für die Endkunden werde eine Fehlentwicklung der Vergangenheit fortgesetzt. Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegten, dass der Erdgasimport in den vergangenen zwölf Jahren zwar teurer geworden sei. Die Erdgaspreise für die Haushalte seien jedoch um etwa das Doppelte angehoben worden. „Die durch den Ölpreisanstieg höheren Importpreise sind also nur ein willkommener Anlass für überhöhte Preisanhebungen“, schlussfolgert der Bund der Energieverbraucher.

Die Versorger argumentieren mit der historisch gewachsenen Koppelung der Erdgaspreise an die Heizölpreise. Diese sei zwar möglicherweise nicht mehr zeitgemäß, sagt Esther Seemann von E.on, werde aber weltweit so gehandhabt. Überdies verhindere sie Kartell-Absprachen zwischen den drei Ländern, aus denen der größte Teil des Gases bezogen werde.

Aus Sicht der Verbraucherschützer nützt das den Endkunden wenig. Sie begründen das Recht auf Preisminderung mit der faktischen Monopolstellung der Versorger: „Weil der Kunde nicht zu einem anderen Versorger wechseln kann, unterliegt die einseitige Preisfestsetzung durch die Gasversorger der Billigkeitskontrolle der Gerichte.“ Wenn der Kunde diese Billigkeit bestritten habe, also mit dem Hinweis auf unfaire Preisgestaltung einen Teil des Betrags einbehalte, müsse der Versorger nachweisen, dass er den Preis zu Recht angehoben hat. Die Verbraucherschützer stützen sich dabei auf die Expertise des Jenaer Rechtsanwalts Thomas Fricke, der sich auf den § 315 und die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beruft (BGH, 5.2.2003, Az. VIII ZR 111/ 02). Möglicherweise zu viel bezahltes Geld zurückzufordern sei dagegen schwierig. In diesem Fall läge die Beweislast beim Verbraucher.

Wer einen Teil des Preisaufschlags einbehält, werde von E.on gemahnt und nach wiederholter Mahnung verklagt, kündigt Seemann an. „Wir haben geliefert, die Preise sind im Vorhinein bekannt und wettbewerbsfähig“, argumentiert die Pressesprecherin. Ihr Unternehmen werde auf jeden Fall den Klageweg beschreiten, denn es handele sich um eine Grundsatzangelegenheit.

Hörmann dagegen spekuliert darauf, dass es die Versorger um fast jeden Preis vermeiden wollten, ihre Kalkulation offen zu legen. „Wir vermuten, dass sie die Dramatisierungsstrategie fahren gegen die Kunden“, sagt der Verbraucherschützer. Die Kunden würden mit Mahnungen unter Druck gesetzt, bis viele von ihnen zahlten. Die Außenstände durch die wenigen, die übrig blieben, wären so gering, dass sich Prozesse nicht lohnten.

Auf jeden Fall gerieten die Versorger durch die Zahlungsverweigerung weiter unter Druck. In einem Monat sei der Musterbrief 15.000-mal abgerufen worden. Bei der Verbraucherzentrale gingen massenhaft Anfragen ein. „Das ist so viel, dass wir die gar nicht individuell beraten können“, sagt Hörmann. Gernot Knödler