Die Scheichs wollen raus aus der Wüste

Zwei traditionelle Führer auf verfeindeten Seiten des Krieges im westsudanesischen Darfur, „arabisch“ und „afrikanisch“, sind sich einig: Der Schlüssel zum Frieden in Darfur liegt in Autonomie und der Entwicklung dieser lange vernachlässigten Region

„Drohungen mit Sanktionen, die nicht kommen, ermutigen die Janjaweed“

AUS KHARTUM ILONA EVELEENS

Hamid Tourain mag die Hitze nicht. Der ehemalige Handelsminister des Sudan, jetzt Direktor eines Consultingbüros, sitzt in seinem auf 18 Grad heruntergekühlten Büro in der Hauptstadt Khartum und isst ein Brötchen mit Fleisch. „Darfur wird gespalten durch einen Streit um Wasser und Land“, sagt der arabischstämmige Sudanese zwischen zwei großen Bissen über seine Heimatregion. „In den letzten 50 Jahren haben sich Bevölkerung und der Viehbestand verdoppelt. Acker, Weiden und Häuser brauchen immer mehr Platz. Zugleich breitet sich von Norden her die Wüste aus.“

Idris Yousif bevorzugt die frische Luft, die in Khartum allerdings 38 Grad im Schatten hat. Der Parlamentarier vom Volk der Fur, das Darfur seinen Namen gab, sitzt auf dem Flachdach seines Hauses mit Blick über Khartum. „Streit über Wasser und Land gab es schon lange“, ist seine Meinung zu Darfur. „Aber den traditionellen Führern gelang es immer, Frieden zu stiften. Die Teile-und-herrsche-Politik der Regierung hat den Konflikt eskalieren lassen.“

Tourain ist „Araber“, Yousif ist „Afrikaner“, aber Yousif hat eine hellere Hautfarbe als Tourain. Beide Männer sind Scheichs, traditionelle Führer ihrer Stämme, die ihre Titel geerbt haben. Beide stehen eigentlich auf unterschiedlichen Seiten des Darfurkonflikts. Aber beide sind überzeugt, dass Darfur marginalisiert ist: zu wenige Schulen, Krankenhäuser, Straßen, Arbeitsplätze. Keine Regierung des Sudan hat ihrer Meinung nach viel für den Westen des Landes getan. Übrigens auch nicht für den Süden und den Osten.

Tourain selbst war viele Jahre Mitglied von Regierungen, die Darfur verkommen ließen. Auch im amtierenden Regime hat er Freunde. Seine Bevölkerungsgruppe hat Kämpfer für Milizen gestellt, mit denen die Regierung die Rebellen im Südsudan bekämpft. In Khartum wird außerdem gemunkelt, dass er mitgeholfen habe, die Janjaweed in Darfur zu bewaffnen.

Die Marginalisierung Darfurs war für die Rebellen von SLA (Sudanesische Befreiungsarmee) und JEM (Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit) der Grund, die Waffen aufzunehmen. Sie sahen, wie die SPLA-Rebellen des Südsudan durch ihren bewaffneten Kampf Friedensgespräche und eine Autonomie für den Süden errangen. Das wollten sie auch.

Hätte die Regierung darauf gehört und auch andere Regionen außer dem Südsudan in Autonomiegespräche einbezogen, hätten Darfurs Rebellen nie zu den Waffen gegriffen, meint der Fur-Abgeordnete Yousif. Stattdessen eskalierte die Lage. „SLA und JEM richteten ihre Aktionen gegen die Armee. Als sie zu ihrer eigenen Überraschung oft siegten, sah die Regierung rot. Sie bewaffnete die arabischen Milizen und erzählte den Hirtenvölkern, dass die Bauern afrikanischer Herkunft das ganze Land nehmen wollten, sodass für die Hirten nichts übrig bleibt.“

Die Rebellen kritisieren Yousif, weil er im gemütlichen Khartum lebt statt in Darfur und den Konflikt benutze, um sich wichtig zu machen. Er selbst sieht sich als Brückenbauer. Immer wieder wiederholt er, dass nicht alle arabischen Völker Darfurs den mordenden und raubenden Janjaweed Truppen zur Verfügung stellen. Und nicht alle Männer der afrikanischen Völker Fur, Zaghawa und Massalit kämpfen bei den Rebellen. Auch Tourain meint: „Die Janjaweed haben nur eine kleine Rolle im Konflikt“, meint er. „Sie sind bloß Viehdiebe, die den Krieg zwischen Armee und Rebellen ausnutzen.“

Die endlosen ausländischen Delegationen, die seit Monaten Sudan besuchen und sich über Darfur aufregen, können beide Scheichs nicht mehr sehen. „Humanitär hat zich dadurch zwar die Lage gebessert“, meint Yousif. „Aber politisch passiert nichts. Drohungen mit Sanktionen, die dann nicht kommen, geben den Janjaweed und einigen Regierungselementen die Idee, dass sie ungehindert weitermachen können. Vielleicht um den nächsten Schritt zu tun: Die Ausrottung ihrer Feinde in Darfur.“

Das sieht Tourain ein wenig anders, aber auch er findet, das die internationale Gemeinschaft sich einmischt in Dinge, die sie nicht versteht. „Wir können den Konflikt selber lösen“, meint er. Dafür ist Dialog nötig, glauben beide Männer. Und Eile ist nötig, betont der Araber Tourain. „Es brodelt überall in Sudan. Wenn wir nicht aufpassen, zerfällt das ganze Land.“