Sklaverei beschleunigt Landreform

In Brasilien müssen erstmals Großgrundbesitzer ein Landgut räumen, das sie von modernen Sklaven roden ließen

PORTO ALEGRE taz ■ Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat ein Landgut in Ostamazonien per Dekret der Landreform zugeführt. Erstmals wird eine Enteignung, für welche die bisherigen Eigentümer allerdings entschädigt werden, auch mit moderner Sklaverei und illegalen Waldrodungen begründet.

Wegen der Ausbeutung von Dutzenden Arbeitern war die Familie Mutran, die größten Paranussexporteure Brasiliens, im August bereits zu einer Strafe von umgerechnet 360.000 Euro verurteilt worden. Die Fazenda Cabaceiras ist ein Symbol der Landlosenbewegung MST. Im März 1999 besetzten hunderte Familien in der Nähe der Landstraße, die von Marabá nach Eldorado dos Carajás führt, ein kleines Stück des 9.800-Hektar-Areals. Das Camp ist inzwischen ein Dorf für rund 340 Familien.

Die Lehmhütten mit ihren Palmdächern signalisierten: Man rechnete sich gute Chancen aus, dass die Regierung in Brasília das weitgehend brachliegende Landgut enteignen könnte. Nicht einmal durch drei Räumungen ließen sich die Besetzer beirren, dabei hatte die Militärpolizei 1996 in der Nähe 19 Landlose massakriert.

„Die Entscheidung eröffnet eine neue Perspektive im Kampf gegen die Sklavenarbeit“, sagte José Batista Gonçalves von der katholischen Landpastoral CPT der taz. „In der Region gibt es Dutzende Landgüter, die aus gleichem Grund ebenfalls den Landlosen übertragen werden könnten.“ Allein im Bundesstaat Pará besetzen derzeit 20.000 Familien Land, von denen vielen die Räumung droht.

Doch nicht einmal der Fall Cabaceiras ist ganz unter Dach und Fach. Er rechne fest damit, dass die Mutrans beim Obersten Gericht Berufung einlegen, sagt Carlos Henrique Kaipper. Für den Juristen, der im Ministerium für ländliche Entwicklung die Vorarbeit zum Präsidentendekret geleistet hat, ist der erstmalige Verweis auf die Verletzung von Menschenrechten und Umweltgesetzen dennoch ein „historischer Durchbruch“.

Die Regierung Lula hat zu Jahresbeginn eine weitere Verschärfung der Verfassung und damit die entschädigungslose Enteignung von Sklavenhaltern angekündigt. Doch die Großgrundbesitzer leisten im Kongress hartnäckig Widerstand. Für die Regierung, die in beiden Kammern eine bequeme Mehrheit hat, habe das Thema leider keine Priorität, bedauert Gonçalves. Laut Arbeitsministerium arbeiten in Brasilien mindestens 25.000 Menschen unter sklavenähnlichen Bedingungen in Schuldknechtschaft. GERHARD DILGER