Verhärtete Fronten in der Elfenbeinküste

Die regierende „Ivorische Volksfront“ von Staatschef Gbagbo ist aus der Regierung ausgetreten und will neuen Krieg. Der UN-überwachte Friedensprozess scheint komplett gescheitert zu sein. Oppositionelle warnen vor „Völkermord“

BERLIN taz ■ Nichts geht mehr in der Elfenbeinküste. Die regierende „Ivorische Volksfront“ (FPI) unter Staatschef Laurent Gbagbo setzt offen auf Krieg, die Rebellen in der Nordhälfte des seit 2002 geteilten Landes rüsten sich für die kommende Schlacht. Ein am Freitagabend in Johannesburg veröffentlichter Aufruf der Präsidenten von Südafrika, Nigeria, Senegal und Algerien an alle Konfliktparteien, die geltenden Friedensabkommen doch noch umzusetzen, zeigte nicht die geringste Wirkung. Am Samstag trat das Zentralkomitee der FPI zusammen und stellte sich hinter die militärische Option. „Der Krieg ist unvermeidbar“, zitierten Zeitungen in Abidjan gestern Teilnehmer.

Dabei hatte es erst vor einem Vierteljahr so ausgesehen, als habe die Elfenbeinküste zurück zum Frieden gefunden, nachdem sie seit 2002 in eine von der FPI unter Staatschef Laurent Gbagbo kontrollierte Südhälfte und eine von Rebellen kontrollierte Nordhälfte gespalten ist. Ein Ende Juli in Ghana geschlossenes Friedensabkommen, genannt „Accra III“, sah vor, dass die Regierung bis Ende September eine Reihe politischer Reformen beschließt und dann ab 15. Oktober die Demobilisierung der Rebellen sowie der radikalen „patriotischen“ Milizen im Regierungsgebiet beginnt. Damit wäre der Weg frei für freie Wahlen im Oktober 2005, überwacht von 4.000 französischen Soldaten und 6.200 UN-Blauhelmen.

Aber die radikalen Elemente der FPI verhinderten im Parlament die fristgemäße Verabschiedung der Reformen. Logischerweise begannen die Rebellen dann auch nicht am 15. Oktober mit der Entwaffnung. Aus Protest dagegen verließ die FPI vor zehn Tagen die amtierende Allparteienregierung, in der theoretisch sämtliche Kriegsparteien gemeinsam den Friedensprozess umsetzen sollen. Der parteilose und ziemlich machtlose Regierungschef Seydou Diarra, der sich seit seiner Ernennung 2003 mit Staatschef Gbagbo um Kompetenzen streitet, sei ein „Epiphänomen“, sagte die Partei. Sie forderte Diarras Rücktritt zugunsten einer „Regierung der nationalen Rettung“.

Eine Regierungspartei, die die Regierung boykottiert und zu ihrem Sturz aufruft – die Krise in der Elfenbeinküste treibt seltsame Blüten. Gbagbo rudert nun hin und her: Unterstützt er seine Partei, verliert er das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft und muss mit UN-Sanktionen rechnen; stellt er sich gegen sie, verliert er seine Basis und müsste mit Putsch oder Attentat rechnen. Denn die radikalen Elemente der FPI kontrollieren die „patriotischen“ Milizen – eine Parallelarmee, mit der sie unter Umgehung der offiziellen Militärstrukturen Krieg führen können.

Nachdem Premierminister Diarra am Freitag einen Rücktritt ablehnte und die FPI am Samstag ihren Kriegswunsch bekräftigte, stehen die Zeichen erst recht auf Sturm. Die gemäßigten Kräfte sammeln sich nun um Diarra und die zivilen Oppositionsparteien, die sich im Bündnis „G-7“ zusammengeschlossen haben. Dessen Führer Alphonse Djédjé Mady warnte letzte Woche, die Milizionäre planten einen „Völkermord“. Sie würden mit Todeslisten die gezielte Beseitigung politischer Gegner vorbereiten.

Am kommenden Freitag will Diarra zusammen mit der G-7 versuchen, im Rest des Allparteienkabinetts die in „Accra III“ vereinbarten Reformen doch noch zu verabschieden. Wer sich dagegenstelle, stünde dann eben außerhalb des Friedensprozesses. Es wäre ein Rezept für Chaos, wenn mit der FPI die Regierungspartei der Elfenbeinküste selbst in die Rebellion ginge. Dann würde das wirtschaftlich wichtigste Land des frankophonen Westafrika praktisch nur noch aus Rebellengebieten bestehen, zwischen denen die UNO einen fiktiven Friedensprozess überwacht. DOMINIC JOHNSON