BARBARA BOLLWAHN über ROTKÄPPCHEN
: Tut mir Leid, ich komme nicht, Herr Barski

Doch, man darf sich auch mal etwas schenken lassen. Aber nur, wenn der Gaul nicht zu sehr aus dem Maul riecht

Zu DDR-Zeiten wäre ich im Traum nicht auf die Idee gekommen, an dem Sprichwort „Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“ zu zweifeln. Es ging ums nackte Überleben.

Und im Westen? Ich dachte immer, dass einem in diesem Gesellschaftssystem nichts geschenkt wird und nur der Tod umsonst ist. Vor zwei Wochen wurde ich eines Besseren belehrt. Von Klaus Barski.

Barski hat in den 60er-, 70er-Jahren in Frankfurt am Main ein Millionenvermögen mit Immobilien gemacht, stieg in die Werbebranche ein und als er mit 30 Jahren ausgebrannt war, ließ er es sich mit seiner amerikanischen Ehefrau an der Cote d’Azur gut gehen. Später ging er nach Florida, wo er es fast zum Honorarkonsul brachte. Vor einigen Jahren kehrte er nach Deutschland zurück, kaufte im Taunus eine Villa mit einer Garage, in der sein wunderschöner blauer Rollce-Roye steht.

Barski könnte sein Rentnerdasein genießen. Stattdessen schreibt er Bücher über sein wildes Jet-Set- und Aussteigerleben. Er haut auf die Pauke und verkündet großspurig, er sei der neue Thomas Mann. Weil das außer ihm niemand so recht glaubt und die Verlage, in denen seine Werke erscheinen, kein Geld für Werbung haben, übernimmt er die Promotion selbst. Er fährt durch die Lande, trinkt aus einem goldenen Trinkbecher Champagner und manchmal verteilt er Geld. Bild schreibt dann immer über den „verrückten Millionär“.

Einmal habe ich ein Porträt über Klaus Barski geschrieben. Er tat alles, um sich von seiner besten Seite zu zeigen. Er stellte mir in seinem Haus ein Schlafzimmer zur Verfügung. Seine Frau setzte mir zum Mittagessen ein zartes Rumpsteak vor. Am Abend wurde mir so viel Rotwein eingeschenkt, das ich am nächsten Tag meine nächtlichen Aufzeichnungen nicht mehr entziffern konnte und mich Barski beim Frühstück daran erinnerte, dass wir nach Mitternacht zum Du übergegangen waren.

Ich blieb beim Sie. Barskis Bücher beschrieb ich als das, was sie sind: leichte Kost, die nicht wehtut, ohne die man aber auch gut leben kann. Ihn nannte ich wahrheitsgemäß ein sympathisches Großmaul. Barski kaufte die halbe taz-Auflage auf, und zu Weihnachten schickte er mir einen Gutschein für eine Flasche Champagner im Wert von 105 Euro im Hotel Adlon.

Nun hat Barski ein neues Buch geschrieben, „Lebenslänglich Cote d’Azur“. Und ich sollte bei einer Lesung in Monaco dabei sein. „Frau Bollwahn, ich bin gerade dabei, einen Flug für Sie zu buchen!“, rief er aufgeregt ins Telefon. „Am 28. Oktober fliegen Sie von Berlin nach Nizza, ich hole Sie am Flughafen ab, dann düsen wir nach Monaco rüber und schlürfen Champagner. Es werden die schrägsten Vögel der Welt da sein! Die Baronin von Brandstätter, Prinz Albert und vielleicht auch der Bruder des Schahs von Persien. Der Feuilletonchef der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hat schon zugesagt. Ich zahle Flug, Hotel, alles. Sie kommen doch mit, oder?“

Ich bat um einen Tag Bedenkzeit. Immer wieder kam mir der geschenkte Gaul aus Ostzeiten in den Sinn. Er galoppierte durch meinen Kopf und ich begann mich auf eine Reise an die Cote d’Azur zu freuen. Nicht lebenslänglich, wie der Titel von Barskis neuestem Buch, aber immerhin zwei Tage.

Morgen ist der 28. Oktober. Den werde ich aber nicht Champagner trinkend in Monaco verbringen, sondern mit einem Berliner Pils in Berlin. Denn als ich mir vorstellte, wie mich Barski irgendwelchen Baroninnen und Prinzen als „Frau Bollwahn von der taz“ präsentieren würde, merkte ich, dass ein geschenkter Gaul ganz schön aus dem Maul stinken kann. Ich schrieb Barski eine Mail, in der ich ihm herzlich dankte und um Verständnis bat, dass ich seine Einladung nicht annehmen könne.

Ich finde, so viel Standhaftigkeit muss belohnt werden. Ich hätte auch schon eine Idee. Mit einer Flasche Champagner im Hotel Adlon. Letztes Jahr hatte Barski auf den Gutschein geschrieben, dass er mir wünscht, dass mir der Erfolg zu Kopfe steigen möge.

Fragen zum Reichtum? kolumne@taz.de FREITAG: Robin Alexander über Schicksal