Ein Unbequemer unter schwerem Verdacht

Auch als „Kritischer Polizist“ war Thomas Wüppesahl umstritten – für einen Verbrecher halten ihn Weggefährten nicht

Noch weiß niemand so recht, was wirklich geschah, doch der ganze Fall stinkt. Bekannt ist bisher: Am Montagabend klickten die Handschellen bei dem Hamburger Kripobeamten Thomas Wüppesahl, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und langjähriges Mitglied der „Bundesarbeitsgemeinschaft Kritische Polizisten“. Der Tatvorwurf: Vorbereitung eines Raubmordes.

Gemeinsam mit einem ehemaligen Kollegen soll Wüppesahl einen Überfall auf einen Berliner Geldboten geplant haben. Der Expolizist soll nur zum Schein darauf eingegangen sein und im Auftrag der Hamburger Ermittler die Tatwaffen besorgt haben. Bei der Übergabe saßen die Fahnder im Nebenzimmer.

Auch der Rest klingt wie eine Räuberpistole. Im Vorweihnachtsgeschäft, wenn das meiste Bargeld transportiert wird, sollte der Kurier angeblich überfallen, erschossen und ihm mit einem Fleischerbeil der Arm abgehackt werden – um an den Geldkoffer zu kommen. Der Fluchtwagen sollte unmittelbar vor der Tat gestohlen werden. Nach der Tat wollten die Männer angeblich in einem Hotel die Beute teilen und am nächsten Morgen zurück nach Hamburg fahren.

Besonders aussichtsreich erscheint solch ein Plan nicht. Wenn er tatsächlich von einem Polizisten entworfen wurde, wäre dies für den gesamten Berufsstand geradezu beleidigend.

Für die Boulevardpresse an der Alster ist der Fall klar. Wüppesahl ist der „Bulle mit dem Fleischerbeil“ und ein „Pöbel-Polizist“. Einstige Weggefährten, nicht nur bei den „Kritischen“, sind schockiert. Doch bis zum Beweis des Gegenteils trauen sie ihm eine solche Tat nicht zu.

Klar ist gegenwärtig nur: Wüppesahl, seit 1971 Polizeibeamter, ist ein unbequemer Geist, der wiederholt vom Dienst suspendiert wurde. Von mehreren Ermittlungsverfahren hat er die meisten gewonnen. Erst letzte Woche stand er vor dem Hamburger Polizeipräsidium und verteilte Flugblätter gegen den Polizeipräsidenten. „Das war starker Tobak“, sagt einer, der das Pamphlet gelesen hat.

Auch die Grünen, für die Wüppesahl 1978 in Schleswig-Holstein im Kreistag und 1987 im Bundestag saß, können ein Lied über ihn singen. Schon nach einem Jahr schlossen sie ihn aus der Fraktion aus.

Innerhalb der „Kritischen Polizisten“ war er ebenfalls nicht unumstritten, doch so ging es vielen. Kein Wunder also, dass sich die „Kritischen“ nach rund 15 Jahren selbst den Garaus machten und Wüppesahl daran nicht unbeteiligt war. Am vergangenen Wochenende trafen sich Polizisten aus dem gesamten Bundesgebiet in Hamburg, um den Verein neu zu gründen. Wüppesahl hat also etliche Rechnungen offen. Nicht nur sein Rechtsanwalt vermutet, man habe ihm eine Falle gestellt. Als Komplott wäre der Vorwurf indes hoch angesiedelt und schwer zu glauben. Ein Opfer hat der bizarre Fall so oder so jetzt schon gefordert. Aus der Neugründung der „Kritischen Polizisten“ dürfte so schnell nichts werden.

OTTO DIEDERICHS