Zu langsam bei den Genpatenten

Biopatente: Deutschland von Europäischem Gerichtshof gerüffelt. Umsetzung der EU-Richtlinie ist vier Jahre überfällig. Zwangsgeld droht. Grüne warnen vor Genmonopolen

FREIBURG taz ■ Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat gestern Deutschland verurteilt, weil die EU-Genpatent-Richtlinie noch immer nicht in deutsches Recht umgesetzt ist. Die Umsetzungsfrist endete im Juli 2000.

Deutschland ist wegen ethischer Bedenken bei SPD und Grünen schon vier Jahre im Verzug. Die Richtlinie besagt, dass auch einzelne Gene von Pflanzen, Tieren oder Menschen patentiert werden können, wenn deren Identifikation gewerblich nutzbar ist. Ausdrücklich ausgeschlossen sind Patente, die das Klonen von Menschen oder die Schaffung von Mensch-Tier-Wesen betreffen. Sie schränkt die bestehende Rechtslage eher ein.

Die Richtlinie ist bisher in 18 von 25 EU-Staaten umgesetzt. Neben Deutschland fehlen noch Frankreich, Italien, Österreich, Schweden und die Benelux-Staaten. Auch gegen sie hat die Brüsseler EU-Kommission ein Vertragsverletzungs-Verfahren eingeleitet. Luxemburg und Belgien wurden schon verurteilt.

Mit der gestrigen Verurteilung wird zunächst festgestellt, dass die Bundesrepublik EU-Recht verletzt hat. Die Kommission kann jetzt aber in einem neuen Verfahren beim EuGH Zwangsgelder von bis zu 800.000 Euro pro Tag gegen Deutschland beantragen.

Für die federführende Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) bedeutet das Urteil aus Luxemburg deshalb Rückenwind. Umstritten ist im Bundestag vor allem, dass Zypries’ Gesetzentwurf auch einen „absoluten Stoffschutz“ für Gene und Gensequenzen vorsieht. Der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Reinhard Loske möchte jedoch nur einen eingeschränkten Stoffschutz zulassen. Patente auf Gene und Gensequenzen dürften nicht automatisch sämtliche bekannten und unbekannten Anwendungen umfassen. Dies würde zu Vorratspatentierungen und Biomonopolen führen, erklärte Loske. Industrie und Forschungsgesellschaften unterstützen dagegen den Gesetzentwurf von Zypries. Die Ministerin betont, dass der Stoffschutz nur in Ausnahmefällen zur Anwendung komme.

Der Streit um die deutsche Umsetzung der Richtlinie ist überwiegend symbolischer Natur. Mehr als 90 Prozent aller Gentech-Patentanträge werden derzeit beim Europäischen Patentamt in München gestellt. Dort wird die EU-Richtlinie – vermittelt über das Europäische Patent-Übereinkommen – schon seit Jahren angewandt.

CHRISTIAN RATH