Unerträgliche Arroganz

Betr.: Airbus-Erweiterung, diverse Berichte

Kaum jemand wird je dem Senat oder gar Airbus die Schuld geben an dem grausigen Schauspiel, das der Konflikt um Neuenfelde uns gerade beschert. Es ist gelungen, die Bürger der Stadt derart zu entmündigen, dass sie nie auf den Gedanken kämen, „ihr“ Ole oder das ach so tolle Prestigeprojekt Airbus, schon lange ganzer Stolz der Hansestadt, würden unehrlich, unmoralisch, ja, schlichtweg falsch agieren. Kaum ein Hamburger durchschaut, warum Ole von Beust von der Wirtschaft zum „Bürgermeister des Jahres“ gewählt wurde – selbst jetzt nicht. Nein, die Bild hatte ja damals getitelt, Hamburg sei soooo stolz auf seinen Bürgermeister.

Währenddessen geht die Demokratie den Bach runter. Wo in unserer Legislative ist denn eine Vollmacht für Wirtschaftsunternehmen vorgesehen, nach Gutdünken traditionsreiche Städte zu zerstören oder andernfalls einfach die zugesicherten Arbeitsplätze zu verlegen; nachdem bereits ein wertvolles Naturschutzgebiet von der Stadt auf Befehl des Konzerns zugeschüttet wurde und Milliarden, die auch den zahllosen geschlossenen Sozialeinrichtungen hätten zugute kommen können, ohne weiteres in den fetten Schweinebauch des Superjumbos gestopft wurden. Aber genug ist eben nicht genug. Über zwei Drittel dieser Stadt wollen nicht sehen, wer hier das Unrecht begeht. Was kommt als nächstes? Wird vielleicht Beiersdorf erlaubt, alle giftigen chemischen Abfälle einfach kostengünstig in die Elbe zu kippen? Vorstellbar ist mittlerweile alles.

Marcus Munzlinger, Wentorf

Da provozieren Regierende und Behörden – mit fadenscheinigen Begründungen und schlampiger Arbeit – Gerichtsverfahren, drängen die Betroffenen in die juristische Verteidigung ihres Eigentums und maßen sich schließlich an, die Entscheidung der unabhängigen dritten Gewalt unseres Staates in Frage zu stellen.

Die Eigentümerinnen und Eigentümer verteidigen mit ihrer Gegenwehr stellvertretend für uns alle auf Basis unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung ihr Recht auf Eigentum – eine Grundfeste unseres Rechtsstaates – und werden dafür an den Pranger gestellt. Jeder Kritiker dieses Verhaltens sollte sich klar machen, welches Signal von seiner Kritik ausgeht. Und er sollte sich zutiefst schämen, da ein derart undemokratisches Verhalten eine Schande für unser Gemeinwesen ist.

Selbst seit Jahren in ähnlicher Situation, wünsche ich den betroffenen Eigentümerinnen und Eigentümern weiterhin Durchhaltevermögen und Rückhalt untereinander. Juristisch und moralisch waren und sind sie, von Beginn des ihnen aufgezwungenen Verfahrens an, im Recht. Claus Aumund-Kopp, Bremen-Osterholz

Man glaubt nicht richtig zu lesen, aber die taz zitiert Ministerpräsidentin Simonis wörtlich: „Ich glaube nicht, dass vier oder fünf Leute das Recht haben, über das Schicksal von Arbeitnehmern und ihren Familien zu entscheiden.“ Da setzt die Exekutive ohne mit der Wimper zu zucken schlicht ihr Recht gegen das der Judikative. Schlimmer: Sie setzt Leute, die nichts anderes als ihre Rechte wahrnehmen, unter Pression, lyncht sie gleichsam moralisch. Eine rechte Presse wird womöglich bald (mal wieder) einen Verwirrten bis zum physischen Lynchen treiben. Gegen die Äußerung von Frau Simonis scheint mir die Gefährdung unserer rechtsstaatlichen Demokratie, die von Neonazis ausgeht, fast eine Lappalie.Hermann Dierks, Hamburg

Es stimmt: „Neuenfelde hat verloren. So oder so.“ Aber es wird noch mehr Verlierer geben. Nur Airbus Toulouse gehört vermutlich nicht dazu. Ob Airbus Finkenwerder, ob Hamburg verliert, darüber kann man noch Wetten abschließen. Den Schwarzen Peter haben die Verantwortlichen ja schon anderen zugeschoben. Auf jeden Fall haben verloren: die Glaubwürdigkeit der Politik, die Achtung vor Gerichtsurteilen, die Fairness der Berichterstattung. Die Stimmungsmache der letzten Tage mit Umfragen und diffamierenden Leserbriefen kommt der Hetze gegen Minderheiten schon sehr nahe.

Jetzt hat die unrühmliche Airbus-Verlängerungsgeschichte ein neues Kapitel. Der Kirchenvorstand wurde gegen seinen Willen zum Zünglein an der Waage und zum Buhmann. Von allen Seiten diffamiert, soll er jetzt das Villengrundstück verkaufen und nicht verkaufen zugleich. Da war es früher doch einfacher. Die Kirche sagte, was richtig und falsch ist. Heute beansprucht die Großwirtschaft mit ihren Organisationen und der Politik samt willfährigen Medien im Schlepptau die Definitionshoheit. Wenn eine kleine Kirchengemeinde, und sei es ungewollt, deren Absolutheitsanspruch infrage stellt, ist das wie aus einer anderen Welt – so fern wie ein Konsens über Wertvorstellungen oder eine angemessene Diskussion über deren Unterschiede.

Verdrängte Probleme kommen wieder. Neben den langfristigen Belastungen der Menschen durch den zunehmenden Flugverkehr könnten auch kurzfristig „vergessene“ Themen wieder bedeutsam werden, zum Beispiel: Was bedeutet Kerosin für die Äpfel, was die kommende Kerosinsteuer für die Luftfahrt, was die Luftverwirbelung bei Großflugzeugen für die Neuenfelder Kirche mit der Arp-Schnittger-Orgel? Das geht nicht nur einige Bauern und den Kirchenvorstand an. Heinrich Wolkenhauer, Seevetal

Das Fiasko mit der Landebahn für Airbus ist ein jahrelanges Fiasko von Senat und Parlament, ein überdeutlicher Ausdruck ihrer unendlichen Arroganz und Stümperei. Ein Werk mit Landebahn plant man nicht wie eine Pommesbude, dazu gehört ein politisches und wirtschaftliches Lastenheft und die Seriosität, die Bürger rechtzeitig einzubinden und mit offenen und vor allem ehrlichen Karten zu spielen.

Stattdessen ist es nach wie vor deutsche Regierungstradition, die Rechte des Bürgers notfalls mit Füßen zu treten. (...) So gesehen handeln die Neuenfelder BürgerInnen im Interesse aller deutschen Demokraten, und dafür sei ihnen Dank und Anerkennung.

Für zukünftige politische Gelüste, die Bürgerrechte weiter auszuhöhlen, schon jetzt ein vorsorglicher Hinweis an die Politik: Flossen weg von neuen Gesetzentwürfen mit dem Ziel der Minderung der Grundrechte. Zerstört nicht den Rechtsstaat von oben, denn dann gibt‘s, man sieht es in Neuenfelde, Zunder von unten.

Horst Uhlen, zurzeit Lefkas, Griechenland