Bushonomics waren kein Erfolgsrezept

Scheinbar folgte die Bush-Regierung einem streng (rüstungs-) keynesianischen Programm. In Wirklichkeit dürfte bei der US-Wirtschaftspolitik der vergangenen vier Jahre eine ganz andere Ideologie Pate gestanden haben. Eine Bilanz

VON NICOLA LIEBERT

Ist Präsident George Bush ein Linker? In wirtschaftspolitischer Hinsicht kann es auf den ersten Blick so erscheinen. In wohl kaum einem Industrieland wurde ein so knallhart keynesianischer Kurs verfolgt wie in den USA. Auf das Platzen der Internetblase und die Zerstörung des World Trade Centers reagierte die Regierung, indem sie lehrbuchmäßig das Geld mit vollen Händen ausgab. Steuersenkungen, hohe Rüstungsausgaben, drastische Zinssenkungen: Mit klassischem „deficit spending“ wurde die Nachfrage ausgeweitet. 2003 erhob Bush dann auch noch den Neo-Keynesianer und Harvard-Professor Gregory Mankiw zu seinem Wirtschaftsberater.

Der Erfolg: Während hierzulande das Wirtschaftswachstum zeitweilig ins Minus kippte, erholten sich die Wachstumsraten in den USA schon 2002 auf 1,9 Prozent und 2003 auf 3 Prozent. Im vergangenen Quartal nahm das Bruttoinlandsprodukt sogar um 3,7 Prozent zu. Warum bloß erntet Bush damit kein Lob?

Die Phalanx der Kritiker reicht von Rapper Eminem, der in seinem neuesten Videoclip die soziale Ungerechtigkeit durch die radikalen Steuersenkungen anprangert, bis zu 169 Wirtschaftsprofessoren, die dem Präsidenten miserable Noten geben. „Wir sorgen uns, dass die US-Wirtschaft unter Ihrer Leitung eine gefährliche Wende genommen hat“, schrieben die Ökonomen Anfang Oktober in einem offenen Brief. „Fast jeder Konjunkturindikator hat sich verschlechtert seit Ihrem Amtsantritt im Januar 2001.“

Unsoziales Wachstum

Das reale Wirtschaftswachstum mag für deutsche Verhältnisse immer noch beneidenswert erscheinen. Doch die Wachstumsraten seien unter Bush niedriger gewesen als in der Amtszeit all seiner Vorgänger in der jüngeren Geschichte, schimpfen die Profs. Die Zahl der Arbeitsplätze sei seit seinem Amtsantritt um 1,2 Millionen geschrumpft, die Einkommen sänken real, dafür wachse die Einkommensungleichheit. Zunehmend ist das Land abhängig von Kapital aus dem Ausland, um das Riesenloch in der Leistungsbilanz zu stopfen. „Die Zahlen belegen, dass Ihre Politik der Steuersenkungen nicht funktioniert hat“, so das Fazit. Im Gegenteil, das durch die sinkenden Steuereinnahmen aufgerissene Loch im Haushalt könnte das Land mittelfristig in die wirtschaftliche Katastrophe führen.

Ob Krieg oder Frieden, hohe oder niedrige Wachstumsraten, Bush hat stets nur eine wirtschaftspolitische Strategie parat: runter mit den Steuern – besonders auf hohe Einkommen, auf Dividenden und Erbschaften. Laut dem Forschungsinstitut Brookings Institution kamen 37 Prozent der Ermäßigungen in der Steuersenkungsrunde 2001 dem reichsten Prozent der US-Amerikaner zugute.

Ziel: weg vom Sozialstaat

Schon im Sommer hatten zehn Nobelpreisträger in einem anderen offenen Brief konstatiert, der Zweck dieser Reformen sei offenbar „eine dauerhafte Veränderung der Steuerstruktur und nicht die kurzfristige Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum“. Insbesondere die dauerhafte Reduzierung der Dividendenbesteuerung sei als kurzfristig wirkender Konjunkturschub nicht glaubwürdig.

Andere Kritiker gehen weiter. Nicht um wirtschaftliche Ziele und auch nicht nur um die Bereicherung der Reichen gehe es der Bush-Regierung. Letztlich gehe es vielmehr um Ideologie: die Austrocknung des als quasisozialistisch empfundenen Sozialstaates. Einzig legitime Aufgabe des Staates ist nach dieser Logik die innere und äußere Sicherheit, also die Demonstration militärischer Stärke. Dazu passt, dass die amerikanischen Rüstungsausgaben im abgeschlossenen Quartal um mehr als 9 Prozent stiegen.

Konjunkturankurbelung wäre dann also nur ein billigend in Kauf genommener Nebeneffekt der Steuersenkungen. Wirtschaftswissenschaftler und Bush-Kritiker Paul Krugman hat denn auch angemerkt, dass man, wenn es einem wirklich um Konjunkturpolitik ginge, das Geld für weitaus sinnvollere und effektivere Zwecke ausgeben könne als ausgerechnet für Steuersenkungen und Rüstung. Denkbar wären zum Beispiel ganz altmodisch keynesianische Ausgaben für Infrastruktur – oder auch Investitionen in erneuerbare Energien, womit die Ölabhängigkeit und das gigantische Handelsbilanzdefizit der USA zugleich bekämpft würden.