„Medienkunst kann emanzipatorisch wirken“

Ende des Jahres ist Schluss: Rosanne Altstadt gibt ihre Funktion als Leiterin des Oldenburger Edith-Ruß-Hauses für Medienkunst auf. Die US-Amerikanerin geht zurück in ihre Heimat und sucht dort neue Herausforderungen. Altstadt will die Medienkunst als Diskurskunst etablieren

Rosanne Altstadt übernahm 2001 als Leiterin das gerade begründete Oldenburger Edith-Ruß-Haus für Medienkunst. In den USA wird sie ab 2005 eine Forschungsstelle an der Purdue Universität (Indiana) annehmen. Wir sprachen mit der US-Amerikanerin.

taz: Sie haben das Edith-Ruß Haus im Wesentlichen aufgebaut, jetzt ist es etabliert – und sie gehen.

Rosanne Altstadt: Ich gehe nicht gerne weg, aber ich komme gerne an.

Fehlten in Deutschland vergleichbare Angebote?

Ja. Ich gehe an eine private Uni, wo ich mit einem kuratorischen Blankoscheck Projekte durchziehen kann, die eine Art Aushängeschild der Chicagoer Universität sein werden. Meine Stelle ist eine Forschungsstelle, aber ich habe keinerlei Lehrverpflichtung. Die Arbeit an den Projekten selbst wird als Forschungsarbeit verstanden. Das ist aber kein Plädoyer für ein anderes System hier in Deutschland, denn das ist absolut nicht übertragbar.

Wie unterscheidet sich der Stellenwert von Medienkunst in Deutschland und den USA?

Ich gehe nicht, weil es hier einen Mangel gibt. Dass ich gehe, hat auch private Gründe. Ich glaube, dass Medienkunst in Deutschland einen größeren Stellenwert hat, weil sie hier viel tiefer in einem medientheoretischen Zugang zur bildenden Kunst verankert ist. Ich glaube, deswegen wollten sie mich in den USA auch haben. Die deutsche Kunstsozialisation beinhaltet eine andere Ernsthaftigkeit, da sie sich im kunstgeschichtlichen Kontext denkt. Das war für mich jetzt ein Karrierevorteil.

Wäre da nicht eine Großstadt ein besseres Sprungbrett gewesen?

Als ich nach Oldenburg kam, musste ich überall hingehen und erklären, was Medienkunst ist. Aber inzwischen sehe ich die Größe dieser Stadt als großen Vorteil. Man kann leichter mit anderen Einrichtungen kooperieren, wie mit der Uni. Da gibt es einen Masterstudiengang Medienkunst, in dem ich auch Dozentin bin und der seine Abschlussarbeiten in unserem Haus zeigt. Es gibt einen freundschaftlichen Kreis voller bürgerschaftlichem Engagements, der das Haus mit trägt.

Man konnte den Eindruck gewinnen, die Ausstellungen selbst seien gar nicht laufend besucht, sondern eher die performanceartigen Vernissagen zögen ihr Stammpublikum an.

Ich habe das Haus nie als Museum gesehen, sondern als einen Ort für Diskurse. So ist das Programm auch konzipiert. Ausstellungen wechseln sich ab mit Veranstaltungen und Gesprächen, die wiederum die Ausstellungen inhaltlich vorbereiten. So kann das Gespräch breiter kreisen.

Man könnte der Medienkunst auch vorhalten, dass sie sich nicht aus sich selbst heraus erklärt, also die kunstimmanenten Mittel nicht reichen, so dass es derartiger Diskurse bedarf, damit man sie kapiert.

Medienkunst versteht sich anders als traditionelle Kunst. In der Malerei und der Zeichnung ist es eher so, dass die Künstler selbst nicht sprechen. Die Kunst ist ihr Mittel. Medienkunst aber ist stark diskursiv, das ist ein Teil des Kunstwerkes. Darum habe ich immer darauf bestanden, dass das Haus ein Durchlaufort für Informationen sein kann.

Ein weiterer Vorwurf: Medienkunst begibt sich über Soft- und Hardware-Sponsoring in Abhängigkeit von den Schöpfern der Krieg- und Überwachungstechnologie, die wird nur ästhetisch bemäntelt.

Es gab eine Zeit, da ging es der Medienkunst tatsächlich um die neueste Technologie, aber die ist längst Teil unseres Alltags, und das greift Medienkunst auf. Auch Streaming Media (Überwachungstechnologien, d. Red.) sind Teil unseres Alltags. Man muss das nicht in Form eines Bankautomaten akzeptieren, sondern kann frei damit umgehen. Wir dürfen den Umgang mit den Medien nicht einfach immer nur den anderen überlassen. Insofern kann Medienkunst emanzipatorisch wirken.

Sie sind seit elf Jahren in Deutschland. Welches Land haben Sie verlassen – und in welche USA kehren Sie zurück?

Ich verließ ein Land, in dem es eine sehr große Energie gibt und eine Art der Gesprächsführung, die immer positiv ist. In welches Land ich zurückkomme, weiß ich nicht. Ich habe dort die Verbindung zum Alltag verloren.

Fragen: Marijke Gerwin