Der allzu gute Draht

In Rumänien gilt der Essener WAZ-Konzern als regierungstreu. Nun traf sich der Premier in Essen mit dem Kanzler – und mit WAZ-Fürst Bodo Hombach

VON KENO VERSECK

Der rumänische Wahlkampf ist in vollem Gang. Und doch ließ es sich der termingeplagte Regierungschef des Landes, Adrian Nastase, der für das Amt des Staatspräsidenten kandidiert, nicht nehmen, gestern nach Essen zu reisen. Es ging darum, auf einer Konferenz für mehr Investitionen in Rumänien zu werben. Bundeskanzler Gerhard Schröder traf sich mit Nastase.

Herzlicher Smalltalk mit westlichen Regierungschefs bessert das Image der Machthaber in Rumänien auf. Aber er ist nicht das, womit Nastase angesichts der desolaten Wirtschaftslage Rumäniens derzeit Stimmen holen kann. Nicht bei einer inoffiziellen Stippvisite weit weg von zu Hhause, schon gar nicht in Essen. Um was ging es also wirklich?

Essen ist der Sitz des WAZ-Konzerns. Moderator und Mitorganisator des Treffens war Bodo Hombach, Generaldirektor des WAZ-Konzerns auf dem Balkan. Und die WAZ steckt derzeit in beträchtlichen Schwierigkeiten in Rumänien: Sie hat Petre Mihai Bacanu, den regierungskritischen Direktor ihres Blattes Romania Libera, an dem sie 72 Prozent Anteile besitzt, letzten Donnerstag abgesetzt – unter scharfem Protest der Redaktion. Dennoch produzieren Bacanu und seine Redaktion derzeit die Zeitung weiter – nicht ohne tägliche Angriffe auf den WAZ-Konzern und die rumänische Regierung.

Um was ging es also gestern Essen? Beratung zwischen der Spitze des WAZ-Konzerns und dem rumänischen Ministerpräsidenten? Eine neue Taktik für den derzeitigen Stellungskrieg in der rumänischen Presselandschaft? Kein Kommentar von Seiten des Konzerns. Auch Klaus Overbeck, WAZ-Vertreter in Rumänien und seit letztem Donnerstag neuer Verwaltungsratschef der Romania Libera, „weiß von nichts“, hat angeblich „überhaupt keine Informationen“.

Zu regierungskritisch sei man der WAZ gewesen, behaupten Bacanu und die Redakteure der Romania Libera. In der Tat: Die Zeitung ist seit Jahren einer der schärfsten Gegner der regierenden Sozialdemokratischen Partei, einer wendekommunistischen Klientelpartei, die Rumänien bisweilen verwaltet wie ihren Privatbesitz.

Die WAZ dementiert den Vorwurf: Es gehe nicht darum, die regierungskritische Linie abzuschaffen, sondern darum, das Blatt lesbarer zu machen, es aus dem Auflagenverlust herauszubringen, so Klaus Overbeck. Außerdem sei Bacanu keineswegs abgesetzt worden, sein Mandat als Verwaltungsratsvorsitzender der Romania Libera sei vielmehr bereits im Februar abgelaufen.

Dennoch pflegen die Mehrheitseigentümer der Romania Libera ein deutlich anderes Verhältnis zur rumänischen Regierung als ihr Blatt. Bodo Hombach beispielsweise gehört der Rumänischen Agentur für Auslandsinvestitionen (ARIS) an, einer Organisation der rumänischen Regierung, die der ehemalige Tennis-Manager Ion Tiriac leitet. Die Agentur hat unter anderem den Auftrag, das Image des Landes aufzubessern.

Die rumänische Regierung hat freilich noch andere Mittel als informelle Kanäle, um eine ihr unliebsame Presse unter Druck zu setzen: Die wichtigste Einnahmequelle von Zeitungen, Radiostationen und Fernsehsendern ist Werbung, und die wird in Rumänien in großem Maße von der Regierung vergeben, sei es Werbung für Staatsfirmen, seien es amtliche Verlautbarungen in Form von Werbespots oder Anzeigen. Bei kritischer Berichterstattung rufen Minister bisweilen persönlich in der Redaktion an und drohen mit der Streichung von Werbeaufträgen. Obwohl dies unter rumänischen Journalisten seit Jahren bekannt ist, wagte es erstmals vor einigen Monaten eine Zeitung, diese Praxis zu dokumentieren – die Tageszeitung Adevarul, das größte Blatt des Landes.

Ähnlich wie in vielen regierungskritischen Blättern fällt auch in der Romania Libera auf, wie wenig staatliche Werbung sie im Vergleich zu Zeitungen hat, die der Regierung näher stehen. Insofern dürfte es für die WAZ schlicht und einfach auch ums Geld gehen.