Gefährdete Kritikerin des Islam

Die holländische Politikerin Hirsi Ali erhält zahlreiche Morddrohungen. Die letzte lag auf der Leiche von Theo van Gogh

Ayaan Hirsi Ali lebt schon lange mit Polizeischutz. Drei Leibwächter begleiten sie stets, ihre Wohnungen haben längst Deckadressen. Immer wieder erhielt die Abgeordnete Morddrohungen – die letzte war die furchtbarste. Sie fand sich auf dem Bauch des toten Filmemachers Theo van Gogh, der am Dienstag in Amsterdam von einem Islamisten hingerichtet wurde.

Das fünfseitige Schreiben richtet sich an die „sehr geehrte Frau Hirsi Ali“, der als „ungläubiger Fundamentalistin“ und „Soldatin des Bösen“ angeraten wird, „sich den Tod zu wünschen“. Seither wurde der Schutz für Hirsi Ali noch verstärkt.

Die 35-Jährige gilt als die schönste Politikerin der Niederlande; sie ist zugleich die beliebteste – und umstrittenste. Niemand kritisiert den Islam so radikal wie sie. Die Glaubensrichtung sei „rückständig“ und Muhammed ein „perverser Tyrann“. Um Differenzierungen bemüht sich Hirsi Ali nicht. Der Islam ist für sie eine Religion der Unterdrückung, die Frauen beschneidet, zum Kopftuch verpflichtet und zu Zwangsheiraten nötigt.

Diese Vehemenz erklärt sich vielleicht durch ihre Herkunft. Hirsi Ali wurde 1969 in Mogadischu in Somalia geboren – und stammt damit aus einer Kultur, die den Islam besonders fundamentalistisch interpretiert. So kommt die Beschneidung im Koran nicht vor, ist aber in Somalia noch immer Praxis.

Ob sie beschnitten ist, dazu äußert sich Hirsi Ali nur indirekt: „Meine Mutter findet, dass westliche Frauen verzärtelt sind. Sie sagt, dass man seinen Schmerz mit Würde tragen muss.“ Hirsi Ali will verhindern, dass noch mehr Töchter mit solchen Worten traktiert werden.

Zudem hat Hirsi Ali schon als Kind erlebt, welche Folgen der politische Islam haben kann. Sie muss ihre Finger zu Hilfe nehmen, um die Bürgerkriege zu zählen, die sie in ihrer Jugend in Afrika erlebt hat: sechs.

Im Krieg ist kein Platz für Differenzierungen, das prägt Hirsi Ali bis heute. Sie kann den Islam nur als Islamismus wahrnehmen. Und sie ist überzeugt, dass die Islamisten nicht ruhen werden, bis sie die Welt und auch die Niederlande regieren: „Wahre Muslime sehen säkulare Staaten als sündige Staaten.“

Rasch wird bei ihr jeder Muslim zum wahren Muslim und damit zum Islamisten. Daher fordert sie die Zwangsintegration aller Muslime in den Niederlanden: „Wir müssen sie vor dem Islam retten.“

Diese Thesen machen Hirsi Ali zur zentralen Figur in der niederländischen Politik, die schon seit fast drei Jahren vor allem um das Thema Integration kreist. Die meisten Niederländer fühlen sich endlich verstanden; sie finden auch, dass die Muslime sich anpassen sollen. Die liberale Regierungspartei VVD erkannte sofort, dass Hirsi Ali Stimmen mobilisiert, und bot ihr 2003 einen sicheren Listenplatz an.

Umgekehrt ist sie für die Islamisten ein willkommenes Feindbild. Sie werden vor nichts zurückschrecken. Das hat der grauenvolle Mord deutlich gemacht.

ULRIKE HERRMANN