Umgekehrter Baustopp bei der Topographie

Alle Bagger stehen still: Architekt Zumthor ruft samt Anwalt Peter Raue das Bundesverfassungsgericht an, um Abriss der Treppentürme zu verhindern. Bis zur Beschwerde-Entscheidung geht erst mal nichts. Kollegen fordern Moratorium

Auf dem Gelände der „Topographie des Terrors“ geht es weiter wie bisher – nämlich gar nicht. Statt der Bagger und Baumaschinen, die heute wie geplant mit dem Abriss der drei Treppentürme beginnen sollten, herrscht quasi „umgekehrter“ Baustopp.

Der Grund ist, dass der Schweizer Architekt Peter Zumthor, der nach jahrelangem Gezänk mit dem Land Berlin um das NS-Dokumentationszentrum im Mai 2004 von der Bauaufgabe entbunden wurde, am Wochenende einen gerichtlichen Aufschub gegen den Abriss der Treppenhäuser erwirkt hat. Zumthors Anwalt Peter Raue erklärte, er habe für den Architekten Beschwerde in Karlsruhe eingelegt. Danach müsse das Bundesverfassungsgericht über die Klage und die Zukunft des Bauwerks entscheiden. Das Gericht und der Berliner Senat vereinbarten daraufhin einen Aufschub um eine Woche bis zum 22. November. Das bestätigte gestern die Senatsbauverwaltung.

Zumthor war 1993 als Sieger aus einem Architekturwettbewerb für das NS-Dokumentationszentrum hervorgegangen. Der Bau auf dem früheren Gestapo-Gelände war ab 1998 immer wieder – wegen der komplizierten filigranen Baukonstruktion aus schlanken Betonstäben, schlechter Vergabearbeit der Bauverwaltung und miserabler Baufirmen, die Pleite gingen – ins Stocken geraten und 2000 gestoppt worden. Zugleich explodierten die Kosten von ursprünglich rund 18 auf über 38 Millionen Euro. Gespräche zwischen dem Land und Peter Zumthor brachten nur Teillösungen. Danach kündigte Berlin dem Architekten.

Nach Ansicht Raues zielt die angestrebte Klage vor dem Bundesverfassungsgericht darauf ab, das Zumthors Entwurf und das bereits bestehende Bauwerk – die Treppentürme – geschützt seien und nicht einfach angetastet werden dürften. „Es ist einzigartig in der Welt, dass man einem Architekten nicht erlaubt, seinen Entwurf zu Ende zu bauen“, kritisierte Raue. Die Beschwerde beziehe sich deshalb auf eine mögliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts von Zumthor. Zudem seien bereits 13 Millionen Euro verbaut worden. „Wir wollen kein Geld, wir wollen bauen.“ Zudem habe der Senat mit Zumthor vor der Kündigung nicht darüber gesprochen, ob er den Kostenrahmen einhalten könne.

Dass das Ganze wohl mehr auf die Publicity abzielt, das Land und die Bauverwaltung noch einmal vorzuführen, belegt zum einen die Meinung des Chefjustiziars der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Michael Losch. Man habe der Bitte des Bundesverfassungsgerichts ja entsprochen, durch einen Abriss keine vollendeten Tatsachen zu schaffen. Rechtlich halte er die Beschwerde für unbegründet. Losch: „Das Bundesverfassungsgericht ist nicht zuständig für Architektenrechte.“ Zum anderen reitet Peter Zumthor auf der Welle wachsender Kritik von Kollegen und Publizisten, welche die Abrissbirne der Bauverwaltung und das Bestreben der Stiftung Topographie des Terrors, für das Areal einen gefügigeren Architekten heranzuholen, missbilligen.

Hatte sich im Oktober bereits eine Berliner Initiative von Architekten und Künstlern gegen den Abriss der Türme ausgesprochen, haben nun hochkarätige Zumthor-Fans eine Resolution unterzeichnet. Statt Abriss müsse ein Denkpause eintreten, so die Unterzeichner, zu denen so namhafte Architekten wie Lord Norman Foster (London), Mario Botta (Mailand), Rafael Moneo (Madrid), Jean Nouvel (Paris), Richard Meier (New York) oder Renzo Piano (Genua) zählen. Ihrer Ansicht dürfe das Bauwerk nicht angetastet werden – ebenso wenig wie der Entwurf des Kollegen Zumthor.

Auch darum herrscht – irgendwie verrückt – umgekehrter Baustopp. ROLF LAUTENSCHLÄGER