„Wir kämpfen für eine Militärreform“

Walentina Melnikowa, Vorsitzende des Komitees der russischen Soldatenmütter, hat eine neue Partei gegründet. Damit möchten sie und ihre Mitstreiter einen stärkeren Einfluss auf die politische Entwicklung Russlands nehmen

taz: Frau Melnikowa, Sie haben kürzlich die „Partei der Volkseinheit der Soldatenmütter“ gegründet. Warum gerade jetzt?

Walentina Melnikowa: Ich erinnere mich an die Dumawahlen vom November 2003. Wir wachten nach den Wahlen auf, und es stellte sich heraus, dass in Russland kein funktionierendes politisches System mehr existierte. Unser Komitee der Soldatenmütter stand alleine da angesichts enormer Probleme: einem militärischen System aus Sowjetzeiten, das bis jetzt nicht reformiert wurde, sowie fehlenden politischen Instrumenten, um die Exekutive zu kontrollieren. Da waren wir und der Kreml: 450 Abgeordnete, deren Mehrheit der Regierungspartei „Vereinigtes Russland“ angehört. Es ist sinnlos, mit ihnen zu sprechen, weil sie keine Interesse an ihren Wählern haben, nachdem sie an die Macht gekommen sind.

Was sind die Ziele Ihrer Partei?

Wir wollen den Wert des menschlichen Lebens und die Demokratie verteidigen sowie für die Rechte der Frauen kämpfen. In besonderem Maße wollen wir uns auch für eine Reform des Militärs einsetzen.

Wer kann Mitglied Ihrer Partei werden?

Nicht nur Frauen! Jeder Staatsbürger Russlands, der mindestens 18 Jahre alt ist und sich zu den Zielen der Partei bekennt, kann Mitglied werden.

Im Februar 2004 hat Jewgeni Sidorenko, Stellvertreter des Justizministers, gesagt, dass die Partei unter ihrem gewählten Namen nicht registriert werden könne, weil dieser eine „Geschlechterdiskriminierung“ sei. Gibt es Probleme mit der Registrierung?

Die steht uns noch bevor. Nach dem russischen Gesetz ist diese Prozedur mehrstufig, besonders, wenn eine Partei von unten gegründet wurde, wie unsere. Jetzt haben wir sechs Monate Zeit für die Formalitäten. Unsere Komitees behalten wir bei. Die Partei haben wir als zusätzliches Instrument gegründet, um auch politischen Einfluss auf die Ereignisse ausüben zu können. Die zivilgesellschaftliche Arbeit findet weiter in den Wänden unseres Komitees statt.

Mit welchen Parteien wollen Sie zusammenarbeiten?

Wir haben mit allen Politikern zusammengearbeitet, die unsere Ideen und Initiativen unterstützen. Das soll so bleiben. Im Prinzip hat uns bisher keine Partei, die zurechnungsfähig ist, eine Zusammenarbeit verweigert.

Haben Sie vor, an der nächsten Dumawahl teilzunehmen?

Die kommt erst 2007. Aber wir wollen uns an den Wahlen in den Regionen beteiligen. Sobald wir registriert sind, können wir unsere Kandidaten präsentieren.

Glauben Sie, dass Ihre Partei dazu beitragen kann, das Thema des Tschetschenienkrieges wieder mehr ins öffentliche Bewusstsein zu bringen?

Dieses Thema ist nicht vergessen. Mitte Oktober hat sich unser Komitee mit einem Aufruf an das Oberkommando der Rebellen in Tschetschenien gewandt, wieder Friedensverhandlungen aufzunehmen. Mit dieser Aktion haben wir die Aufmerksamkeit der Journalisten, russischer und ausländischer, wieder auf dieses Problem gelenkt.

INTERVIEW: MARINA SINALEEVA

Fotohinweis: WALENTINA MELNIKOWA, 58, hat kürzlich die „Partei der Volkseinheit der Soldatenmütter“ gegründet.