Ein Schily-Mann, der mit den Grünen kann

Der konservative SPD-Innenpolitiker und frühere Kripobeamte Hans-Peter Kemper wird heute zum neuen Aussiedlerbeauftragten der Bundesregierung ernannt. Neue politische Initiativen sind von ihm kaum zu erwarten

BERLIN taz ■ Die Aussiedlerpolitik spielt in der Debatte um Integration und Einwanderung eher selten eine Rolle. Ob sich daran etwas ändern wird, wenn die Bundesregierung heute mit dem SPD-Politiker Hans-Peter Kemper einen neuen Aussiedlerbeauftragten ernennt? Wohl kaum. Viel war bisher nicht zu hören von dem 60-jährigen Abgeordneten aus dem Münsterland, der seit 1993 im Bundestag sitzt. Aufgefallen ist er in diesem Jahr nur durch sein Engagement gegen das Hochwassergesetz von Umweltminister Jürgen Trittin.

Das sollte jedoch nicht über Kempers politisches Gewicht hinwegtäuschen. In der Partei zieht er die Strippen für die NRW-Landesgruppe. Als deren Chef hat er viel Einfluss. Ihm werden gute Kontakte zu Innenminister Otto Schily, mit dessen Linie er fast vollständig übereinstimmt, und zu Parteichef Franz Müntefering nachgesagt. Kemper ist Mitglied im konservativen „Seeheimer Kreis“ der SPD-Fraktion und im Innenausschuss. Dort wird er für seine Fachkompetenz und Berechenbarkeit geschätzt. Große Kontroversen mit den Grünen: Fehlanzeige. Einzig mit seiner Unterstützung für Schilys Vorschlag, Asyl-Auffanglager in Afrika einzurichten, habe er sich unbeliebt gemacht, hieß es aus dem Büro des migrationspolitischen Sprechers der Grünen, Josef Winkler. Persönlich komme man aber gut mit ihm aus. So scheint er der perfekte Mann für das in Schilys Ministerium angesiedelte Amt des „Beauftragten für Aussiedler und Minderheiten“: treu dem Law-and-order-Kurs seines künftigen Chefs und dennoch beim Koalitionspartner respektiert. Wie sein Vorgänger Jochen Welt, der wieder in die Regionalpolitik wechselte, stellt Kemper fachliche Arbeit über persönliche Profilierung. Letzteres würde auch nicht zu einem Amt passen, das dem Minister direkt unterstellt ist. Eigene politische Initiativen werden von ihm nicht erwartet. Er koordiniert die Regierungsstellen, die sich mit der Aufnahme von Aussiedlern befassen, Integrationsmaßnahmen sowie Informationsarbeit hier und in den Herkunftsgebieten.

Die Gesamtzahl der seit 1950 eingereisten Aussiedler wird vom Innenministerium mit über 4 Millionen angegeben. Trotzdem gibt es wenige Politiker, die die damit verbundenen Probleme lautstark ansprechen. In der SPD versuchte zuletzt der frühere niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel, die Aussiedler zum Wahlkampfthema zu machen. So beklagte Gabriel 2002, die Aussiedler seien die Gruppe, mit der es die größten Integrationsprobleme gebe. Gabriel warf der Union damals vor, sie habe Aussiedler aus der früheren Sowjetunion und damit die größte Gruppe der Zuwanderer „ungesteuert ins Land“ gelassen. Nötig sei eine Zuzugsbegrenzung um 90 Prozent.

Der bisherige Beauftragte Welt wies vor allem auf die veränderte Struktur des Aussiedlerzuzugs hin: Seit Mitte der 90er kommen überwiegend Familienangehörige ohne Deutschkenntnisse ins Land. Die Bundesregierung verfolgt verschiedene Ansätze, um darauf zu reagieren: So wurden seit 1999 die Mittel für Integrationsförderung, Drogen- und Gewaltvorbeugung verdoppelt, zeitgleich die Zuzugsquote auf 100.000 gesenkt und durch Projekte in den Herkunftsländern, die den Bleibewillen stärken sollen, flankiert. Das neue Zuwanderungsgesetz sieht außerdem vor, die Antragsbewilligung von Familienangehörigen auch von deren Deutschkenntnissen abhängig zu machen. Die SPD-geführten Länder planen indes diese Regelung jedoch auf der Innenministerkonferenz Ende dieser Woche wieder aufzuweichen. Somit hat der neue Aussiedlerbeauftragte Kemper gleich ein Thema, zu dem er Stellung beziehen muss.

Bisher äußerte sich Kemper noch nicht zu seinem neuen Aufgabengebiet. Er sei eben ein bodenständiger Münsterländer und halte es mit deren Leitsatz: „Wir sagen nicht viel, aber wir denken genau“, erklärt einer seiner ehemaligen Kollegen bei der Kripo Borken. JOCHEN SETZER