Deutsche lassen sich ökosteuern

Viel gescholten, aber wirksam: Wegen der Ökosteuer drosseln laut Studie des Umweltbundesamtes die meisten ihren Energieverbrauch. Dennoch schlagen Wissenschaftler vor, die Steuer einzufrieren und stattdessen Subventionen abzubauen

AUS BERLIN HANNA GERSMANN

Kaum ein Fenster, das stundenlang gekippt ist, während die Heizung bollert. Nur noch selten brennt der Kronleuchter im Wohnzimmer, obwohl niemand da ist. Auch der Bleifuß im Auto ist passee. Die Deutschen haben dazugelernt. Sie sparen Energie – dank Ökosteuer. Das ist das Fazit einer Studie, die das Umweltbundesamt (UBA) beim Berliner Forschungsinstitut Ecologic und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Auftrag gegeben hat. Ein Plädoyer, die Ökosteuer zu erhöhen, hält UBA-Chef Andreas Troge trotzdem nicht. Er schlägt andere Maßnahmen vor.

„Aufschwungbremse“, „Jobkiller“, „Etikettenschwindel“ – für die Ökosteuer, die seit 1999 erhoben wird, ist den meisten jedes Schimpfwort recht. Anfang 2003 erhöhte sich die Abgabe zum letzten Mal, und zwar um 3,07 auf 15,34 Cent je Liter Benzin und um 0,26 Cent pro Kilowattstunde Strom. Auch Heizen mit Erdgas wurde teurer. Wie Verbraucher und Manager „jenseits des politischen Grundrauschens“ (Troge) reagieren, ermittelten Wissenschaftler nun zum ersten Mal. Sie befragten im September mehr als 1.000 Personen und führten Gespräche mit Firmen. Demnach geben mehr als 50 Prozent der Bürger an, so Auto zu fahren, dass der Tank sich langsamer leert. Kein Wunder, könnte jeder einwenden, kletterten die Benzinpreise zur Zeit der Umfrage auf Höchstniveau. Andreas Kraemer, der die Umfrage bei Ecologic leitete, hält aber dagegen. „Dreiviertel aller Deutschen sagen auch, dass sie die Leerlauf-Funktion beim Fernseher oder Radio ausschalten.“ Genauso viele achteten auf Heizkosten.

Auch das ist nun belegt: Viele Unternehmen profitieren von der Ökosteuer. Die Wirtschaftslobby verschweigt das gerne.

Doch die Gewinner sind zum einen Firmen, die etwa Niedrigenergiehäuser anbieten. Zum anderen all diejenigen, die wenig Energie verbrauchen, dafür aber viele Mitarbeiter haben. Banken beispielsweise. Denn schließlich macht die Ökosteuer – das ist der ausgemachte Wille von Rot-Grün – Energie teurer und Arbeit billiger. Die Finanzämter kassierten durch sie 2003 17 Milliarden Euro. Zum größten Teil flossen die Gelder in die Rentenkasse. „Ohne die Ökosteuer wäre der Beitragssatz zur Rentenversicherung heute 1,7 Prozent höher, betrüge nicht 19,5 sondern 21,2 Prozent“, erklärt UBA-Chef Troge.

Also Ökosteuer erhöhen? Das schließt Troge dann doch aus, weil es nicht in die politische Großwetterlage passe. Zwar versprachen sich Rot und Grün, 2004 über die Zukunft der Ökosteuer nachzudenken – aber unter Berücksichtigung der Wirtschaftslage. Angesichts der hohen Ölpreise stellte Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) unlängst klar: An der Steuerschraube wird nicht gedreht. Das bestätigte die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth erst am Wochenende in der Bild am Sonntag.

Stattdessen solle so manche Vergünstigungen für die Industrie und so manche Subvention abgebaut werden. Die Grünen sind sich da mit Wissenschaftlern einig. 130 der letzteren unterschrieben gestern eine entsprechende Erklärung. Unter ihnen Professor Martin Jänicke, Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfragen. „Von Karstadt bis Opel werden die Arbeitnehmer wegen der hohen Abgaben auf Arbeit unter Druck gesetzt“, sagt er. Da sei die Senkung der Lohnnebenkosten durch eine ökologisch-soziale Finanzreform die beste Lösung.

Umweltschützer und Politiker haben längst benannt, was dazu gehört: Pendlerpauschale streichen, Mehrwertsteuersatz für die Bahn halbieren, Subvention von Agrardiesel abschaffen. Den Staatshaushalt, so rechnete Troge vor, könne das „in den nächsten fünf bis zehn Jahren um 30 Milliarden Euro entlasten“.

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